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80 Days - Die Farbe der Lust

80 Days - Die Farbe der Lust

Titel: 80 Days - Die Farbe der Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V Jackson
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hatte nicht zu viel versprochen: Lauralynn und ihre beiden Partner beherrschten es wirklich gut.
    Ich hörte Dominik kommen, ehe ich ihn sah. Seine Schritte auf dem Steinboden näherten sich der Bühne. Das nachhallende Stakkato setzte einen Kontrapunkt zu den verhaltenen e-Moll-Weisen des letzten Satzes, die ich gerade der Bailly entlockte.
    Er nickte mir zum Gruß kurz zu, dann gab er den Musikern das Zeichen, ihre Augenbinden anzulegen. Sie folgten seiner Anweisung.
    Offenbar aber hatte er sie nicht eingeweiht, dass ich während des Konzerts nackt sein würde, denn er stieg auf die kleine Bühne und flüsterte mir leise die Anweisung dazu ins Ohr. Als seine Lippen mein Ohrläppchen streiften, schoss mir das Blut ins Gesicht.
    »Zieh dich aus!«
    Ich trug an diesem Tag anstelle des langen Samtkleids ein kürzeres Schwarzes, das tagsüber in der U-Bahn weniger auffiel. Eine Schulter war frei, und es schmiegte sich eng um meinen Körper, weshalb es seitlich einen versteckten Reißverschluss hatte. Auf einen BH hatte ich verzichtet, damit sich nicht die Abdrücke der Träger auf meiner Haut abzeichneten, wenn ich mich auszog. Falls ich mich denn auszog. Beinahe hätte ich mir aus demselben Grund auch den Slip gespart, mich aber im letzten Moment anders entschlossen. Eine weise Entscheidung, wie ich merkte, denn das Kleid war mir in der U-Bahn ein ganzes Stück den Schenkel hochgerutscht, als ich einen weiten Schritt machen musste, um von der Bahnsteigkante in den Zug zu steigen.
    Dominik ging von der Bühne und setzte sich auf den einzig vorhandenen Stuhl. Er schaute mich an. Sein Gesicht war ausdruckslos, zeigte nichts als seine gewohnt höfliche Fassade mit einem Hauch Reserviertheit, hinter der sich, wie ich vermutete, eine weit animalischere Natur verbarg, als der erste Eindruck vermuten ließ.
    Und ich würde nichts lieber tun, als diese Fassade einzureißen – was immer ich dafür auch unternehmen musste.
    Ich holte tief Luft und beschloss, es zu wagen.
    Ohne den Blick von Dominik abzuwenden, griff ich mir an die Seite und versuchte, den Reißverschluss aufzuziehen.
    Er klemmte.
    In Dominiks Augen blitzte etwas auf, als ich mit meinem Kleid kämpfte. Verdammt! Und da, auf Lauralynns Gesicht, war das ein Grinsen? Konnte sie mich trotz der dicken Augenbinde sehen?
    Als ich mir vorstellte, dass auch sie meinen Körper mit ihren Blicken musterte, schoss mir das Blut ins Gesicht.
    Vermutlich war ich schon knallrot angelaufen. Ich hatte mir ausgemalt, mein Kleid filmreif mit einer einzigen eleganten Bewegung zu Boden gleiten zu lassen, hätte diese Nummer jedoch lieber zu Hause proben sollen. Aber ehe ich Dominik um Hilfe bat, verschluckte ich lieber meine Zunge. Schließlich konnte ich das Kleid mit einem Fußtritt von mir schleudern. Dann wurde mir klar, dass ich mich vorbeugen musste, um meinen Slip auszuziehen, und meine Wangen brannten noch stärker. Ich drehte mich ein bisschen zur Seite, um zu verbergen, dass meine Brüste baumelten, dann aber wurde mir klar, wie lächerlich diese schamhafte Zurückhaltung wirken musste. Warum jetzt noch Hemmungen haben, wenn ich mich Dominik beim Konzert gleich voll zuwenden würde?
    Ich nahm die Geige zur Hand, bekämpfte kurz den Drang, mich hinter dem Instrument zu verstecken, und wandte mich wieder meinem Zuschauer zu. Dann klemmte ich mir die Bailly unters Kinn und setzte an. Zum Teufel mit der Nacktheit, zum Teufel mit Dominik. Kurz flackerte noch Zorn in mir auf, und schon gewann die Musik die Oberhand.
    Beim nächsten Mal – wenn es denn ein nächstes Mal geben sollte – würde er mich nicht mehr so herumstümpern sehen, wenn ich mich auszog.
    Als die letzten Töne der Coda verklangen, lockerte ich meinen Griff um den Hals der Geige. Ich hob das Kinn und ließ das Instrument an meiner Seite – und nicht vor meinem Körper – herabsinken. Dann sah ich Dominik in die Augen. Er klatschte bedächtig und langsam, und ein rätselhaftes Lächeln zog über sein Gesicht. Ich bemerkte, dass meine Rechte, die Bogenhand, zitterte und ich ein wenig außer Atem war. Meine Stirn war so feucht, als hätte ich gerade einen Zehn-Kilometer-Lauf hinter mir. Offenbar war ich ganz in der Musik aufgegangen, denn während des Spiels hatte ich nichts davon wahrgenommen. Meine Gedanken waren in Osteuropa gewesen, bei Edwina Christiansen und dem Schatz von Geschichten, den die Bailly in sich aufgenommen haben musste.
    Ich überlegte, wann ich mir mal wieder einen Städtetrip leisten

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