80 Days - Die Farbe der Lust
PhD«, stand darauf. Kommt vermutlich aus Osteuropa, dachte sie.
»Woher stammen Sie?«, fragte sie ihn.
»Ach, das ist eine lange Geschichte. Eines Tages vielleicht …«
»Aber wo sind Sie geboren?«
»In der Ukraine«, ließ er sich entlocken.
Irgendwie beruhigte sie das.
»Ich habe Großeltern, die von dort stammen«, erklärte Summer. »Sie sind erst nach Australien und dann nach Neuseeland ausgewandert. Daher mein Nachname. Ich habe sie aber nie kennengelernt.«
»Also noch etwas, das wir gemeinsam haben«, sagte Victor und lächelte geheimnisvoll in seinen Bart.
»Sieht so aus«, antwortete Summer.
»Kennen Sie das Raccoon Lodge in der Warren Street in Tribeca?«
»Nein.«
»Dort treffen wir uns. Morgen um halb acht. Können Sie sich das merken?«
»Ganz bestimmt«, antwortete Summer.
»Prima.« Er drehte sich auf dem Absatz um, winkte ihr kurz zu und schlug die ihrem Heimweg entgegengesetzte Richtung ein.
Warum nicht?, dachte Summer. Sie konnte ja nicht ewig wie eine Einsiedlerin leben, und außerdem war sie neugierig, wer dieser »gemeinsame Freund« sein könnte.
Victor verführte Summer ganz langsam und nach allen Regeln der Kunst. Aus dem, was Dominik ihm in London über sie erzählt hatte und sich durch beiläufige Fragen hatte entlocken lassen, war ihm klar, dass Summer, sie mochte sich dessen bewusst sein oder nicht, alle charakteristischen Züge einer devoten Frau hatte. Es passte einfach wunderbar, dass der Job in New York, den Lauralynn, seine alte Komplizin bei mancherlei finsterem Schabernack, Summer verschafft hatte, mit seiner kurzfristig angesetzten Reise zum Big Apple zusammenfiel. Victor hatte einen Ruf ans Hunter College angenommen, wo er Vorlesungen über post-hegelianische Philosophie hielt.
Als Libertin alter Schule war Victor auch ein intimer Kenner der devoten Persönlichkeit. Er hatte viele Tricks auf Lager, verstand sie zu manipulieren und hinterhältig dazu zu bringen, ihm zu Willen zu sein, konnte ihre Schwächen ausnutzen und mit ihren Bedürfnissen spielen.
So bereitwillig, wie Summer in die Arme von Dominik gesunken war, und nach dem, was er bei der einen Gelegenheit mitbekommen hatte, als er sie nicht nur beim Geigenspiel beobachten durfte, war ihm völlig klar, welche Trigger er bei ihr einsetzen musste, worauf sie reagierte und wo die unsichtbaren Fäden verliefen, an denen er ziehen musste. Victor nutzte die Einsamkeit des Neulings in New York aus, um vorsichtig, Schritt für Schritt, ihre angeborene Bereitschaft zur Unterwerfung hervorzukitzeln, indem er ihrer exhibitionistischen Ader entgegenkam oder ihre Tollkühnheit herausforderte, die sie so leichtfertig in gewagte erotische Situationen führte.
Verglichen mit Victor war Summer ein unbeschriebenes Blatt – sie bekam gar nicht mit, dass er mit ihr spielte.
Victor wusste, dass Summers sexuelle Begierden und Bedürfnisse durch ihre Erfahrungen mit Dominik geweckt und verstärkt worden waren. New York war eine große Stadt, in der man sehr einsam sein konnte. Dominik war auf der anderen Seite des Ozeans, und Summer war hier unbeschützt und allein.
An ihrem ersten Abend, der Party in seinem Loft in Tribeca, enthüllte ihr Victor vorsichtig sein Interesse für BDSM und brachte das Gespräch auf gewisse Privatclubs in Manhattan und in New Jersey. Er beobachtete Summers Reaktion und sah das Verlangen in ihren Augen flackern. Sie war unfähig, ihre sexuellen Vorlieben zu verbergen. Nachdem die Flamme entzündet worden war, bewegte sie sich darauf zu, magisch angezogen wie eine Motte.
Sosehr sie sich bemühte, sie konnte sich den Lockrufen ihres Körpers nicht entziehen und verstrickte sich heillos in dem Netz, das Victor für sie knüpfte. Denn Dominik und seine seltsamen erotischen Spielchen, die sie so genossen hatte, fehlten ihr. Victor hatte eine ganz andere Stimme, sein Tonfall war hart und unerbittlich, ihm fehlte das Weiche, das Dominik auszeichnete. Aber sie brauchte nur die Augen zu schließen, und schon konnte sie sich einbilden, dass es Dominik war, der ihr Anweisungen gab und sie nach seinem Willen formte.
Es wurde Summer rasch klar, dass Victor mehr über sie wusste, als ihr lieb war. Sie hatte Lauralynn als Informantin im Verdacht. Naiv war Summer nicht, nur eben willens herauszufinden, worauf das alles hinauslief. Die Gedanken, die in ihrem Kopf kreisten, und der Sirenengesang ihres lechzenden Körpers ließen sich nicht länger ignorieren.
Bei ihrem dritten Treffen, diesmal in einer
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