80 Days - Die Farbe der Lust
schummrigen Bar an der Lafayette Street, tastete Victor sich vorsichtig näher an das Thema heran. Summer hatte kein Problem damit, und sie war keineswegs überrascht, als er mitten in einer gepflegten Unterhaltung über die Ungenießbarkeit moderner klassischer Musik (sie konnte immerhin noch Philip Glass etwas abgewinnen, den Victor ebenfalls verabscheute) sie völlig unvermittelt fragte: »Sie haben doch schon mal gedient, oder?«
Sie nickte bloß. »Und Sie sind ein Dom, habe ich recht?«
Victor lächelte.
Damit war das psychologische Katz-und-Maus-Spiel beendet.
»Ich glaube, wir verstehen uns, Summer, nicht wahr?« sagte Victor und ergriff ihre Hand.
Und so war es. Diese geheimnisvolle Welt, in der sie herumgeflattert war wie ein kopfloses Huhn, rief und lockte sie wieder in den süßesten Tönen.
Auch wenn man manchmal weiß, dass der Weg, den man einschlägt, in einer Sackgasse endet, so folgt man ihm doch, weil er etwas bietet, das einfach zur eigenen Persönlichkeit gehört.
Summers nächste Begegnung mit Victor fand im Anschluss an eine ausgedehnte Orchesterprobe statt, nur zwei Tage vor ihrem ersten Auftritt in der neuen Konzertsaison.
Sie fühlte sich wunderbar, wie von Musik umflossen, inzwischen hatte sie sich mit ihrer herrlichen Bailly gut in den Klangkörper des Orchesters eingefügt. Ihre harte Arbeit trug Früchte. Jetzt, da sie sich zu entspannen begann, fühlte sie sich bereit, es mit jeder Perversion aufzunehmen, die Victor ersinnen mochte. Mehr noch, sie freute sich darauf.
Es war ein kleiner Dungeon im Keller eines imposanten Backsteinbaus im Norden der Stadt, nur einen Block von der Lexington Avenue entfernt. Er hatte sie gebeten, um acht Uhr zu erscheinen. Summer hatte sich für das Korsett entschieden, das sie in London als Dienstmädchen getragen hatte. Das schien ihr bereits eine Ewigkeit her zu sein. Etwas anzuziehen, das Dominik für sie gekauft hatte, gab ihr das Gefühl, die Party auf sein Verlangen hin zu besuchen und damit seinem Willen zu folgen.
Beim Anlegen des Korsetts hatte Summer große Freude an dem wunderbar weichen Material. Wenn sie mit den Fingern darüberstrich, musste sie an Dominik denken. Warum bloß konnte sie ihn nicht aus dem Kopf bekommen?
Doch sie konnte diesem Gedanken nicht lange nachhängen, ihr Handy vibrierte. Die Limousine, die Victor geschickt hatte, wartete vor der Tür. Sie schlüpfte in ihren langen, roten Ledertrenchcoat. Es war eigentlich viel zu warm für diesen Mantel, aber er war knöchellang und verhüllte den spektakulären Anblick, den sie in ihrem Schnürkorsett und mit ihren nackten Brüsten bot. Die schwarzen Strümpfe, die sie auf Victors Verlangen hin trug, reichten bis zur Mitte ihrer Oberschenkel und betonten die milchweiße Haut darüber bis zu dem kaum sichtbaren Stringtanga. Mit leichtem Schreck hatte sie festgestellt, dass ihr Schamhaar schon wieder zu sprießen begonnen hatte und sie untenherum etwas ungepflegt aussah, aber sie hatte keine Zeit mehr gehabt, das zu ändern.
Victor trug wie alle anderen männlichen Gäste Smoking, die Frauen elegante Abendkleider in allen möglichen Pastelltönen. Als man ihr den Trenchcoat von den Schultern nahm, stellte Summer verlegen fest, dass sie die einzige barbusige Frau in dem großen Speisezimmer war. Die Gäste nippten an ihren Drinks oder rauchten, sie hatten den Raum mit ihren Zigaretten und Zigarren bereits in dichten Nebel gehüllt.
»Der letzte Gast des Abends ist eingetroffen«, verkündete Victor. »Das ist Summer, die ab heute zu unserer intimen kleinen Runde dazugehört. Sie verfügt über die allerbesten Referenzen.«
Referenzen? Von wem?, fragte sich Summer.
Unter den fragenden und forschenden Blicken der etwa zwei Dutzend fremden Menschen wurden ihre Brustspitzen hart.
»Darf ich bitten?«, sagte Victor galant und deutete einladend auf die Tür zum Untergeschoss.
Summer leistete seiner Handbewegung Folge und stakste in ihren High Heels zu der Tür. Jetzt, da der entscheidende Moment nahte, wurde ihr ein wenig mulmig. Es war ihr erstes Erlebnis in der Szene seit der Londoner Orgie, die ein so schlimmes Ende genommen und Dominik und sie auseinandergebracht hatte.
Ein Dutzend Stufen führte sie in ein geräumiges, hell erleuchtetes Kellergewölbe, dessen Wände mit teuren orientalischen Teppichen ausgeschlagen waren. Sie dachte noch darüber nach, wie sie hießen, als sie sechs andere Frauen bemerkte, die sich in der Mitte des Dungeons im Kreis aufgestellt
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