80 Days - Die Farbe des Verlangens: Band 4 Roman (German Edition)
denkbaren Formen. Manchmal befand ich mich selbst im Lauf, tanzte darin wie ein Bond-Girl, dann wieder wurde er mir an die Stirn gehalten, und Chey hatte den Finger am Abzug. Oder das eiskalte Metall der Sig Sauer war in mir und füllte meine Höhlen aus, um mich an den Rand eines Orgasmus zu treiben, der in seiner Lust ebenso schrecklich wie überwältigend war.
Chey aus meinen Gedanken und den Schmerz über seinen Verlust aus meinem Herzen zu verbannen, erwies sich als nahezu unmöglich. Er fehlte mir, obwohl ich es niemandem eingestehen wollte. Ich sehnte mich nach seinem scharfen Geist, seiner Nähe, seinem harten Körper, seinem Schwanz und nach all den wunderbaren Dingen, die er mit mir angestellt hatte, wenn er tatsächlich einmal daheim war.
Wir lebten in derselben Stadt und konnten uns jederzeit wieder über den Weg laufen – auf der Straße, in einer Bar –, und dieses Wissen tat weh. Ich mied die Umgebung des Meatpacking District, von Cheys Wohnung und auch die Upper East Side mit den Clubs, in denen ich früher gearbeitet hatte und die er kannte. Wenn wir uns begegneten, würde ich vielleicht nicht die Kraft haben, ihm zu widerstehen, und ihm jede an den Haaren herbeigezogene Geschichte abnehmen, mit der er mir seine häufigen Abwesenheiten und die Pistole in seiner Schublade erklärte.
Einerseits sehnte ich eine zufällige Begegnung herbei, so unwahrscheinlich das in Manhattan war. Vernünftigerweise aber hatte ich auch Angst vor einem derartigen Augenblick. Wie würde ich reagieren?
Chey saß mir unter der Haut.
Er wusste, dass ich in meiner Freizeit gern in Buchläden stöberte, besonders in dem berühmten Shakespeare & Co. am Broadway, wo es den Angestellten nichts ausmachte, wenn ich Stunden blieb, nach Lust und Laune in verschiedenen Büchern las, bis ich dann irgendwann ein billiges Taschenbuch kaufte. Da ich auf diesen Laden nun verzichten musste, verlegte ich mich auf den Strand Bookstore, wo ich in den Massen von Kunden gut untertauchen konnte. Dennoch hatte ich dort manchmal das Gefühl, als würden sich forschende Blicke in meinen Rücken bohren, wenn ich durch die Gänge schlenderte, von einem Stockwerk ins nächste fuhr oder in einem Buch blätterte, und jedes Mal wieder dachte ich, es wäre Chey. Mit klopfendem Herzen wandte ich mich dann um, nur um festzustellen, dass ich einem anderen Mann aufgefallen war, den offenbar mein Aussehen anzog – eine blonde Ausländerin, die so gar nicht dem Klischee eines weiblichen Bücherwurms entsprach.
Einige Monate gingen ins Land. Von Blanca wusste ich, dass Chey in keinem der Clubs gesehen worden war und nach mir gefragt hatte. Daher meinte sie, dass ich allmählich wieder arbeiten könne. Zuerst vielleicht ein paar Wochen außerhalb New Yorks, in Long Island oder New Jersey, um tänzerisch wieder richtig in Form zu kommen und mein Lampenfieber vor einem Auftritt in der Großstadt in den Griff zu kriegen.
Ich war einverstanden und begann, die Angebote von Maklern zu studieren, um mir, vielleicht im West Village, eine kleine Wohnung zu mieten. Allein. Ich brauchte einen Ort, wo ich nachdenken, nach Lust und Laune herumhängen und mich gehen lassen konnte. In den letzten Wochen war mir bei Blanca das ständige Kommen und Gehen von Mädchen, mit denen ich nichts zu tun hatte, allmählich auf die Nerven fielen. Ich fand die Gesprächsthemen recht oberflächlich und hatte es satt, ihnen dauernd Klamotten und sogar meine Schminksachen ausleihen zu müssen. Ich brauchte mehr Freiraum.
Die Auftritte in der Umgebung New Yorks jedoch lehnte ich ab.
»Ich möchte wieder im Grand arbeiten«, erklärte ich Blanca. »Wenn sie mich nehmen. Mir gefällt es dort, und kein Mann der Welt kann mich davon abhalten, das zu tun, was ich will. Und für den Fall der Fälle haben sie kräftige Türsteher …«
»Ja, Liebes, die haben sie«, stimmte Blanca mir zu.
Ich hatte wieder zu meiner alten Entschlossenheit zurückgefunden, und gemeinsam mit Blanca bereitete ich meine Rückkehr auf die Bühne vor. Ich entwarf eine neue Choreografie, stimmte sie sorgsam auf die Musik ab, besorgte mir das richtige Kostüm und die für diesen Anlass nötigen diskreten Accessoires.
»Kommen Sie ins Grand und erleben Sie Lubas grandioses Comeback!«
Kichernd entwarfen wir einen kleinen Handzettel, mit dem wir meinen ersten Auftritt ankündigten, und beschlossen, dass ich nach meiner Nummer an jenem Samstagabend nur einen einzigen Lapdance machen würde. Für den Gast mit dem
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