80 Days - Die Farbe des Verlangens: Band 4 Roman (German Edition)
höchsten Gebot.
Natürlich forderte ich damit das Schicksal heraus, andererseits würde es Chey bestimmt nicht wagen, mir in die Quere zu kommen.
Wenn doch, würde ich ihn mit jeder schamlosen Faser meines Körpers reizen und ihm vorführen, was er sich entgehen ließ. Ich würde ihn provozieren und den Männern im Publikum all das zeigen, was ich ihm nie wieder gewähren wollte. Ihm beweisen, dass ich nicht länger einfach nur sein Pony war, sondern eine von allen Männern begehrte Frau.
An jenem Tag hatte im New Yorker Javits Center ein großer IT-Kongress stattgefunden, daher war es im Club gerammelt voll. Limousinen mit kraftvoll brummenden Motoren und diensteifrigen Fahrern säumten die Straße. Manager in teuren Anzügen standen unter dem kritischen Blick unserer muskelbepackten Türsteher Schlange vor dem Eingang.
Während die anderen Mädchen ihre Nummern abspulten, hockte ich in der Garderobe und wusste nicht, was ich tun sollte. Ich war bereits fertig angezogen und geschminkt, und in meinem Bauch flatterten Schmetterlinge. Immer wieder fragte ich mich, ob Chey im Publikum sitzen und sich meinen Tanz ansehen würde. Ob er sich vielleicht sogar nach mir sehnte und sich verzehrte?
Als die Scheinwerfer mit einem hörbaren Ploppen erloschen, nahm ich meine Position auf der dunklen Bühne ein.
Dann erklang aus den Lautsprechern meine aufgezeichnete Begrüßung: »Ich heiße Luba …« Meine rauchige Stimme, der russische Akzent. Ich hatte mehr als eine Stunde gebraucht, um diese drei Worte als Einleitung zu Debussys Musik aufzunehmen. Es sollte rätselhaft, fremdartig, verführerisch klingen und mein ganzes Wesen zum Ausdruck bringen.
Ich erlebte meinen Auftritt wie im Traum.
Und kam mir dabei vor, als wäre ich allein im Raum.
Versunken im Kokon meines Tanzes, gefangen im gleißenden Scheinwerferlicht, war ich nichts als ein weißer Körper im rötlich grellen Schein seiner eigenen Sonne. Bei der Leitung des Clubs hatte ich durchsetzen können, dass die Stange entfernt wurde, die von meiner Vorstellung abgelenkt hätte.
Ich war die Verkörperung der Lust, die Königin der Nacht, war ganz Weib – Busen, Möse, Arsch. Alle Komponenten meiner Darbietung waren so geplant und geprobt, dass mich die Männer voller Leidenschaft begehrten, mit allen Fasern ihres Körpers, und japsend nach mir gierten, sodass ihre Schwänze vor Lust hart wie Stein wurden. Ich wollte in ihnen Verlangen wecken; sie sollten sich so heftig nach mir verzehren, wie sie sich noch nie im Leben nach etwas verzehrt hatten, ehe ich auf die Bühne des Grand getreten war und ihnen die Augen öffnete.
Aber zugleich tanzte ich auch für mich selbst. Ich ignorierte die Wellen sexuellen Verlangens, die vom Publikum ausgingen und in der blanken roten Hitze der Bühne, in meiner Domäne, über mir zusammenschlugen.
Und es funktionierte.
Als ich nach dem Erlöschen der Scheinwerfer im Schutz der Dunkelheit in die Garderobe huschte und mich schweißgebadet mit heißen Wangen hinsetzte, brannte mein Inneres vor sexueller Begierde. Blanca warf mir einen Seitenblick zu und flüsterte: »Das war im Grenzbereich zwischen Obszönität und wahrer Schönheit … Du überraschst mich immer wieder, Luba …« Dabei blinzelte sie mir anerkennend zu.
Die anderen Tänzerinnen bedachten mich mit seltsamen Blicken, als ob ich eine Grenze überschritten oder sie persönlich beleidigt hätte. Ich ließ mich davon jedoch nicht beeindrucken. Für sie war das Tanzen nur ein Job. Für mich aber war es nun ein Teil meiner Persönlichkeit.
Über die Lautsprecher konnte ich hören, dass Blanca auf der Bühne mit begeisterten Worten die Versteigerung meines einzigen Lapdance durchführte.
Er hieß Lucian, und er wurde mein erster Millionär und der zweite Mann, der mich vögeln durfte.
Aus der Ferne betrachtet, oder genauer gesagt, aus einem Drecksloch wie Donezk in der Ukraine, wirkt Kalifornien wie das Paradies, von dem man nur träumen kann. Ein Märchenland mit Sonne, Meer, Palmen und Reichtum, wohin man schaut. Also so etwas Ähnliches wie die Karibik, die ich mit Chey kennengelernt hatte, doch ohne die Armut, der man dort zwangsläufig begegnete. Das gelobte Land, von Donezk aus allenfalls für Gangster und ihre Liebchen zu erreichen.
Und dort war ich nun gelandet.
Möglich gemacht hatte es Lucian, mein Computerfreak der Spitzenklasse.
Wie viel er für seine Lapdance-Privataudienz bei mir im Hinterzimmer des Clubs bezahlt hatte, weiß ich nicht, denn
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