80 Days - Die Farbe des Verlangens: Band 4 Roman (German Edition)
später überreichte mir Blanca einfach ein Bündel Banknoten. Ich machte mir nicht einmal die Mühe, sie zu zählen. Die Scheine umfassten nicht nur den Erlös aus der Auktion, sondern auch den Dollar-Regen, den die Männer gegen Ende meines Auftritts auf die Bühne geworfen hatten. Ich hielt mich gewöhnlich nicht damit auf, dieses Trinkgeld einzusammeln, denn ich fand es unwürdig und demütigend, nackt herumzukriechen, nachdem die normale Beleuchtung wieder eingeschaltet war, und das Geld aufzuklauben. Darum kümmerte sich immer Blanca. Es gab mir etwas Unnahbares und Rätselhaftes, meinte sie – noch eine Sache, die mich bei den anderen Mädchen nicht gerade beliebt machte.
Beim Lapdance geschah nichts Besonderes. Er versuchte nicht, mich zu berühren, und ich musste mich kaum an ihm reiben, da er zufrieden schien, mir zuzusehen. So schlängelte ich mich, nur mit einem weißen Bikini auf meiner blassen Haut, in einigen Zentimetern Abstand vor ihm. Als ich meine Hände verführerisch über Brüste, Bauch und Oberschenkel gleiten ließ, in der selbstverliebten Art, die Männer offenbar mochten, kugelten ihm vor Bewunderung beinahe die Augen aus dem Kopf. Das sah komisch aus. Doch nicht das leiseste Lächeln trat auf seine Lippen. Ich hatte die Musik ausgewählt – einen Song der britischen Trip-Hop-Band Archive –, und als sie endete, trat ich von ihm zurück. Trotz des abgedunkelten Raums konnte ich erkennen, dass sich seine khakifarbene Hose über seiner mächtigen Erektion beulte. Sein altmodisches, dickes Brillengestell saß ihm schief auf der Nase.
»Das war’s«, sagte ich. »Ich hoffe, es hat dir gefallen.«
»Kommst du wirklich aus Russland?«, fragte er.
»Mit Haut und Haaren.«
»Ich finde Russinnen wunderschön«, sagte er. »Sie sind so anders.«
»Exotisch?«
»Nein, so meine ich das nicht.« Er hielt inne, als würde er nach dem richtigen Wort suchen. Ich kam ihm zu Hilfe.
»Wir sind nicht alle gleich, jede Frau auf der Welt hat etwas ganz Eigenes. Ich stamme aus der Ukraine, und die Mädchen aus den anderen Republiken sehen ganz unterschiedlich aus. Einige haben lange Beine, andere ausgeprägte Wangenknochen, und die aus der Nähe der Grenze zu Asien haben eine andere Augenform und einen tief angesetzten Hintern. Du kannst das nicht verallgemeinern bei all dieser Vielfalt.«
»Das sehe ich ein«, meinte er. »Aber …«
Er sprach nicht weiter. Ich wollte schon gehen, als er mir nachrief:
»Ist Luba dein richtiger oder dein Künstlername?«
»Nein, ich heiße wirklich Luba. Eigentlich ist es die Koseform von Lubow, aber das benutzt man heutzutage kaum noch«.
»Luba«, sagte er. Es klang, als würde er sich die Silben auf der Zunge zergehen lassen.
Er war Mitte bis Ende vierzig, wirkte aber zehn Jahre jünger und zog sich auch so an. Sein Vermögen hatte er mit Software gemacht, deren Lizenzen er teuer verkaufen konnte. Einen Teil seiner Gewinne hatte er anschließend in Start-ups wie Google und Facebook investiert, mit dem Resultat, dass er für den Rest seines Erdendaseins ausgesorgt hatte. Seine im Überfluss vorhandene Freizeit verbrachte er überwiegend mit der Entwicklung von Computerspielen, meist für sich privat, obwohl er sich hin und wieder auch die Mühe machte, sie bis zur Marktreife fertigzustellen. Er besaß in Venice Beach an einem Kanal ein weitläufiges Haus mit Wasserzugang, in dem ein ständiges Kommen und Gehen von Freunden und Schmarotzern herrschte. Er war nie richtig erwachsen geworden und hatte noch immer ein ausgesprochen romantisches Verhältnis zur Liebe. Mit Frauen und Beziehungen tat er sich schwer.
Er war also das genaue Gegenteil von Chey. Der mich mal wieder leer und mit wundem Herzen zurückgelassen hatte und offensichtlich erneut zu einem illegalen Auftrag aufgebrochen war. Ansonsten wäre er nämlich an diesem Abend unter den Zuschauern im Grand gewesen und hätte sich zu erkennen gegeben, wenn er mich nicht sogar um die Rückkehr angefleht hätte.
»Würdest du noch einmal für mich tanzen?«, fragte Lucian.
»Nicht heute Abend«, antwortete ich. »Das war etwas Besonderes. Ich muss mich an die Regeln halten.«
»Dann vielleicht morgen?«
»Ich arbeite nicht jeden Tag«, erklärte ich ihm.
»Ich bezahle dich«, setzte er nach.
»Es geht mir nicht ums Geld«, erwiderte ich.
»Oh!«
Er war auch nur ein Mann, und in diesem Augenblick wurde mir klar, dass er Wachs in meinen Händen war.
»Wo kommst du her?«, fragte ich.
»Aus Omaha in
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