80 Days - Die Farbe des Verlangens: Band 4 Roman (German Edition)
Mischung aus Verlangen und Befriedigung, als hätte er auf ein Zeichen von ihr gewartet, das er nun bekommen hatte. Obwohl die beiden sich kaum berührten, war ihr Begehren füreinander so unverkennbar, dass es schon fast obszön wirkte; und auch wenn sie züchtig gekleidet waren, ging ihnen ganz offensichtlich Unzüchtiges durch den Sinn.
Als es wieder dunkel wurde und der Applaus verebbte, verweilte ich noch einige Sekunden im Halbschatten hinter der Bühne, weil ich die beiden unbedingt noch beobachten wollte. Ihre Reaktion auf meinen Auftritt schien heftig zu sein.
Aus meinem Versteck sah ich, dass sie intensiv miteinander redeten, doch so angestrengt ich auch auf ihre sinnlichen Lippenbewegungen starrte, ich verstand nichts.
Jetzt erschien Madame Denoux am Tisch und sprach den Mann an. Nach einer kurzen Unterredung, die der jungen Frau tiefe Röte auf die Wangen trieb, gingen er und Madame weg und befanden sich nun außerhalb meines Blickfelds. Ich beobachtete unterdessen die junge Frau. Ihre Hautfarbe wechselte zwischen schamrot und angstbleich in unzähligen Schattierungen, obwohl sie sich bemühte, die Situation mit Haltung zu meistern. Ich glaubte aber auch, wachsende Erregung und Stolz zu erkennen.
Soweit ich wusste, bot der Club als einzigen zusätzlichen Service nur Lapdances an. Madame nannte sie lieber »Privatvorführungen«, weil sie das für eine vornehmere Bezeichnung hielt.
Hatte mich das Paar für eine private Darbietung gebucht? Das würde die Aufregung der jungen Frau erklären und auch, warum der Mann mit Madame verschwunden war. Sie ließ sich nämlich immer erst die Kreditkarte geben, bevor sie Zusatzleistungen gewährte.
Normalerweise langweilten mich diese Privattänze, und wenn ich sie gelegentlich akzeptierte, dann nur, weil das Trinkgeld gut war, weil es von mir erwartet wurde und weil mein Einwilligen half, mir das Wohlwollen meiner Arbeitgeberin zu erhalten.
Doch bei der Vorstellung, vor diesem Mann und dieser jungen Frau zu tanzen, lief mir ein Kribbeln über den Rücken.
Seine Leidenschaftlichkeit. Ihre Geschmeidigkeit. Die bildliche Vorstellung, wie die beiden sich ungestüm umarmten. Und der Gedanke, wie sie wohl schmecken mochten.
Mein Herz klopfte wild, als ich mir diese Aussichten auf dem Weg in die inzwischen sicher leere Garderobe ausmalte. Die anderen Tänzerinnen waren bestimmt längst draußen auf der Straße oder auf dem Weg nach Hause, wo sie den letzten Tag des Jahres entweder festlich oder in aller Stille begehen würden.
Ich setzte mich auf meinen Platz vor den Spiegel, um mir das Gesicht abzuschminken und zur Ruhe zu kommen. Es hatte wenig Sinn, dass ich mir den Kopf über die Besonderheiten meiner geheimnisvollen Bewunderer zerbrach. Falls sie eine Vorstellung in intimem Rahmen gebucht hatten, würde ich es bald erfahren. Und da Madame Denoux jede Art von sexuellem Kontakt zwischen Kunden und Tänzerinnen strikt untersagte, war die Enttäuschung vorprogrammiert, wenn ich mir mehr als einen Lapdance zusammenfantasierte.
Ohne die übliche lärmende Geschäftigkeit schien in der Garderobe die Zeit stillzustehen. Bis zum nächsten Abend, wenn die anderen Mädchen wiederkamen – und mit ihnen das Tratschen, das Rascheln der Kostüme, das Klirren von Schmuck und das Auf- und Zuschnappen der Schminktäschchen –, würde es ruhig sein.
Die seltene Stille, die ich sehr genoss, war einer der Gründe, weshalb ich mich immer freiwillig für die Spätvorstellungen meldete.
Obwohl ich nur wenig Make-up trug, reinigte ich mein Gesicht stets gründlich, ehe ich für die Heimfahrt legere Kleidung anzog. Das war meine Art, von der beruflichen Maskerade in mein wahres Leben zurückzuschlüpfen. Denn je mehr ich mich dem Tanzen hingab, umso mehr überlagerten sich die beiden Lubas, sodass ich manchmal nicht mehr genau zwischen meinem Tages- und meinem Nacht-Ich zu unterscheiden wusste. Das machte dieses Ritual so wichtig für mich.
Doch als ich mein Gesicht mit einem Wattebausch abwischte, lenkte mich das nicht so ab, wie ich gehofft hatte. Wieder stürmten Fantasien und Erinnerungen auf mich ein, und ein unaufhörlicher Bilderstrom zog vor meinem geistigen Auge vorbei.
Zuerst Chey und ich, wir hielten uns umschlungen in jeder nur möglichen Position unter der Sonne. Dann die junge Frau mit dem lodernden Haar und der Mann, der sie zum Glühen brachte; ihre Körper drehten und wanden sich, und sie fickten so heftig miteinander, dass nicht klar war, ob sie zu einem Ganzen
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