80 Days - Die Farbe des Verlangens: Band 4 Roman (German Edition)
zu lange im Käfig gehockt hatte. Aber dieses Schauspiel wollte ich mir keinesfalls entgehen lassen.
In dem gedämpften Licht, das von der Bühne auf den Zuschauerraum fiel, erkannte ich die breiten Schultern des Begleiters der Rothaarigen, der sich einen Platz ganz vorne gesucht hatte. Jetzt bedauerte ich, dass ich mich nicht einfach am seitlichen Bühnenrand verstecken konnte, sodass ich den Tanz der jungen Frau und gleichzeitig seine Reaktion beobachten konnte.
Der schwere Samtvorhang ging auf.
Ihr Gesicht zeigte eine Mischung aus Angst und Stolz, als der weiße Scheinwerfer aufflammte und ihre Verlorenheit auf der leeren Bühne hervorhob.
Magnetisch wurde mein Blick von dem flammenden Busch ihres Schamhaars angezogen.
Zögernd blieb sie einen Augenblick stehen, bis die Musik einsetzte. Dann huschte ein Anflug von Panik über ihr blasses Gesicht, als sie merkte, dass sie noch immer reglos dastand.
Die junge Rothaarige hatte für ihren Tanz ein klassisches Stück gewählt, das ich, obwohl ich es schon tausendmal gehört hatte, zuerst nicht zuordnen konnte. Doch dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen, und ich sah die Schallplattenhülle vor mir, im Übungsraum der Ballettakademie in St. Petersburg: ein idyllisches Gemälde aus dem späten Mittelalter, wahrscheinlich von einem niederländischen Meister, Bauern bei der Feldarbeit und pummelige Nymphen am Waldesrand. Vivaldis Vier Jahreszeiten . Wir hatten nie zu dieser Musik getanzt, denn sie gehörte zu keinem Repertoire.
Es war kein Stück, zu dem man tanzte.
Warum mochte sich unsere Gasttänzerin dafür entschieden haben? Oder hatte ihr Begleiter die Wahl getroffen?
Ihre ersten Bewegungen waren verhalten. Die Nacktheit machte ihr nichts aus, sie stand aufrecht da, mit geradem Rücken, beinahe trotzig und sich der Macht ihres Körpers bewusst. Aber sie wirkte anfangs etwas plump, da sie die Arme nicht ganz synchron zu den Beinen bewegte, während ihre Hüften sich zu der Melodie leicht wiegten. Zweifellos war sie musikalisch, aber sie hatte bestimmt keine Tanzausbildung, auf die sie zurückgreifen konnte, als sie sich so würdevoll wie möglich zu den Klängen bewegte und dabei Eleganz und Erotik zu verbinden suchte. Mit zusammengekniffenen Pobacken hielt sie den Analstöpsel in sich fest, was ihre Bewegungsfreiheit erbarmungslos beschnitt. Dabei wäre das gar nicht nötig gewesen, denn diese Teile hatten die Eigenheit, an Ort und Stelle zu bleiben.
Natürlich waren wir im Ballettunterricht nie aufgefordert worden, Analstöpsel zu tragen, aber es gab eine Lehrerin, eine dünne, bösartige Frau mit Stirnfransen, die uns gnadenlos schindete und uns oft anhielt, mit der Vorstellung zu arbeiten, wir hätten ein solches Ding im Po. Wir wurden dann immer puterrot. Viele von uns behielten diesen Trick ihr ganzes Tänzerinnenleben bei, denn es war ein perfektes Vademekum, wenn es darum ging, eine Figur mit besonderer Anmut auszuführen.
Allmählich wurden ihre Bewegungen lockerer, sie entspannte sich, bis sie sich schließlich selbstvergessen der Musik und dem Augenblick hingab.
Während ihre Darbietung immer sicherer wurde, zeichnete sich auf ihrem Gesicht ein Wechselbad der Gefühle ab. Nach anfänglicher Anspannung und resignierter Schicksalsergebenheit unterwarf sie sich nun dem Diktat ihrer Lust. Zweifellos begannen die Säfte in ihr zu fließen, nährten ihre Seele und füllten den tiefen Brunnen ihres Begehrens. Ihre Gesten wurden weicher und runder, scheinbar mühelos glitt sie an der Grenze zwischen Obszönität und Schönheit entlang und hatte dabei den Blick fest auf den Mann im Publikum geheftet, dem sie sich zeigte. Nackter als nackt und exotisch geschmückt entblößte sie ihr Innerstes vor ihm, bot es ihm als Opfer dar.
Ich erkannte all diese Stadien wieder. Ich selbst durchlief sie, wenn ich tanzte. Und mir einbildete, ich täte es für Chey.
Ich öffnete mich.
Die Versuchung war zu groß. Verstohlen schlich ich mich hinter die Bar, wo ich mir im Dunkeln einen Platz suchte, von dem aus ich endlich auch ihn – Madame Denoux war herausgerutscht, dass er Dominik hieß – beobachten konnte, ihn, der der Rothaarigen beim Tanzen zusah, während sie sich ihren schwindelerregenden, geheimsten Gefühlen ergab.
Der Mann war von ihrer Darbietung wie hypnotisiert. Sein Mund stand halb offen, er hielt die Luft an, und seine attraktiven Züge waren von erbarmungslosem Begehren verzerrt. Er war ebenso sehr ihr Sklave wie ihr Herr.
Diesen Ausdruck
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