80 Days - Die Farbe des Verlangens: Band 4 Roman (German Edition)
nach etwas Kernigerem als Lucian zumute war, hatten für mich nichts Aufregendes. Oder sie waren mir nicht böse genug. Sie spielten einfach keine Rolle.
Vielleicht ist das etwas typisch Russisches.
Man sieht die Dinge aus der Distanz und nimmt sie ganz pragmatisch.
Ich wusste, dass sich irgendetwas ergeben würde.
Und ich behielt recht.
Im Anschluss an einen unspektakulären Auftritt vor einem Publikum aus Surfern, Bikern in Lederkluft und Mechanikern aus einer Werkstatt in der Nähe des Flughafens lernte ich Madame Denoux kennen.
Sie war nach Los Angeles gekommen, um in den besseren Clubs von Beverly Hills und Hollywood nach frischen Talenten zu suchen. Zuvor hatte sie ergebnislos die von Silikonbusen dominierten Bühnen des Orange County abgeklappert, wo die immer jüngeren Tänzerinnen immer seltener so waren, wie Gott sie geschaffen hatte. Nur weil sich ihr Rückflug nach New Orleans wegen schlechten Wetters verzögerte, hatte sie sich in einem Hotel am Flughafen ein Zimmer genommen und, um die Zeit totzuschlagen, auch noch ein paar Bars in der Umgebung angeschaut.
Ich hatte mich nach meinem Auftritt bereits geduscht und angezogen. Das Lokal war inzwischen halb leer, da die Surfer meist früh schlafen gingen, um schon im Morgengrauen wieder die ersten Wellen zu reiten, und die Biker zu Frau und Kindern heimgekehrt waren. In meinem alten T-Shirt und meinen kurz abgeschnittenen Jeans strebte ich auf den Ausgang zu, als mich eine Frau ansprach.
»Hallo!«
Ich blieb stehen und drehte mich um. Sie war älter als ich, stand an der Bar und hielt ein Glas Whiskey oder Bourbon in der Hand.
»Ja?«
»Bist du Luba, die Russin?«
Ich nickte.
»Du verschwendest dein Talent in einer Kaschemme wie der hier, Kleine.«
Sie hatte einen mir ungewohnten Südstaaten-Akzent, der für New Orleans typisch war, wie ich erst später herausfand, denn sie stammte in fünfter Generation aus einer Cajun-Familie.
Ihre üppigen Kurven hatte sie in ein elegantes grünes Samtkleid gezwängt, aus dem runde, weiße Brüste hervorquollen.
»Na und?«, erwiderte ich. »Das weiß ich selbst.«
Wollte sie mich anmachen? Das war mir in letzter Zeit schon häufiger passiert, offenbar ein Westküsten-Phänomen. Hin und wieder hatte es mich gereizt, einen Versuch zu wagen, doch da die meisten Frauen, die mir schöne Augen machten, in einem Club an der Bar oder selbst als Tänzerin arbeiteten, hätte das nur Komplikationen mit sich gebracht. Geschäft und Vergnügen sollte man auseinanderhalten, das war schon immer meine Devise gewesen.
»Ich habe einen Club in New Orleans. Im French Quarter«, erklärte sie mir. Mit diesen Worten reichte sie mir eine Visitenkarte aus blassrosa Karton mit schwarzer Prägeschrift. Es stand nichts weiter darauf als »The Place« und darunter eine Telefonnummer. Ich sah sie fragend an.
»Er ist ausgesprochen exklusiv«, fuhr sie fort. »Nur für geladene Gäste. Wir achten auf Niveau.«
Ich winkte das Mädchen herbei, das die Bar betreute, und bestellte mir einen Eistee.
»Ich höre«, sagte ich zu Madame Denoux, nachdem wir uns die Hände geschüttelt und einander höflich vorgestellt hatten.
»Luba ist ein schöner Name. Heißt du wirklich so?«
»Ja.«
»Ich habe schon von dir gehört, musst du wissen. Du warst zuvor in New York und hast meist im Grand getanzt. Dann bist du plötzlich wie vom Erdboden verschwunden. Blanca, eine gute Freundin von mir, war am Boden zerstört. Gab es dafür einen Grund?«
»Ja, so einige«, erklärte ich.
»Das Übliche? Probleme mit einem Typen?«
»Richtig vermutet.« Ich grinste.
»Nun, das geht mich nichts an. Mein Metier seid ihr Tänzerinnen. Welch ein Zufall, dass ich dich hier finde …«
Ich lächelte. »Wir Russen glauben an das Schicksal. Schon seit uralten Zeiten.«
Sie stellte mit einer resoluten Geste ihr Glas auf den Tresen.
»Ich möchte dich für meinen Club engagieren«, sagte sie.
»Für das Place?«
»Ja. Er liegt ganz ruhig und diskret im Vieux Carré. Ein Auftritt pro Abend, nur viermal pro Woche. Dazu ein Vertrag für, sagen wir mal, drei Monate zu ordentlichen Konditionen. Anschließend kannst du dich entscheiden, ob du bleiben möchtest oder meine internationalen Kontakte nutzen willst, um weiterzuziehen. Du hast Klasse. Allerdings glaube ich nicht, dass du heute Abend deine beste Vorstellung abgeliefert hast, habe ich recht?«
»Stimmt. Geht es nur ums Tanzen, oder sind damit noch weitere Verpflichtungen verbunden?«
»Hin und
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