80 Days - Die Farbe des Verlangens: Band 4 Roman (German Edition)
echt geschildert war. Von dem Autor hatte ich bisher noch nie gehört – es war sein Erstling, und man erfuhr lediglich, dass er an einer Universität lehrte und in London wohnte. Was war los mit den Briten, dass sie sich von Frauen mit Charakterschwächen angezogen fühlten, dass unsere Unvollkommenheit und der Schaden, den wir anrichteten, sie zu kreativem Schaffen inspirierten?
»Vielleicht werde ich es tun. Den Song schreiben.« Nach diesen Worten leerte Viggo sein Glas.
»Nur zu. Sofern du meinen Namen verschweigst.«
Er betrachtete mich mit verträumtem Blick. Kein Zweifel, ein interessanter Typ. Doch er hatte eben auch diesen Ruf, und letztlich wusste ich, dass er kein Mann für alle Jahreszeiten war. Die Luba von früher hätte sich mit ihm wahrscheinlich eine Nacht oder zwei vergnügt. Nach Chey hatte ich mit vielen Männern geschlafen, war jedoch – außer bei Lucian – nie länger als eine Nacht geblieben. Nach dem Sex interessierten sie mich nicht mehr. Manchmal hatte ich sogar beim Vögeln gelangweilt aufgeseufzt. Mit Viggo hingegen könnte ich es vielleicht eine ganze Woche aushalten. Dennoch verspürte ich in mir nur eine große Leere. Und obwohl ich meine innere Dumpfheit unerträglich fand, war ich nicht bereit, mich auf einen anderen Menschen einzulassen.
Letztlich wusste ich einfach nicht, was ich wollte.
Er sah mich begehrlich an.
»Hör mal«, sagte er. »Und sei bitte nicht beleidigt. Ich weiß, was du tust – oder jetzt, wo du aufhören willst, getan hast. Aber gibt es irgendeine Möglichkeit, dass du … nur für mich allein … auftrittst? Du bestimmst die Gage.« Dabei senkte er den Blick, als wäre es ihm peinlich, in diesem Zusammenhang von Geld zu sprechen.
Ich seufzte. Die Frage hatte ja kommen müssen. Immerhin hatte er sie taktvoll formuliert, statt selbstgefällig auf sein Vermögen anzuspielen, mit dem er sich alles kaufen konnte.
»Du sagst ›auftrittst‹«, hakte ich nach. »Was meinst du damit? Einfach nur tanzen oder auch Sex?«
»In der Not frisst der Teufel Fliegen. Was immer du mir zugestehst.«
Ich dachte nach.
Vielleicht war ein so warmherziger, ehrlicher Mensch genau der Richtige, um mir den Weg zurück ins normale Leben zu ebnen. Er würde mir eine Zeit lang Sicherheit geben, und ich wäre nicht allein. In der Gesellschaft von Viggo Franck brauchte ich mich nicht zu verstellen. Vielleicht könnte ich sogar für ihn tanzen. Und wenn ich für ihn tanzte, würde ich auch wieder lernen, es für andere zu tun.
Chey hatte zwar einen festen Platz in meinem Herzen und war mir irgendwie ständig gegenwärtig, doch ich wusste, dass ich mich dem Schmerz über unsere Trennung nicht hingeben durfte, weil er mich sonst unablässig quälen würde. Ich musste dafür sorgen, dass ich wieder Frieden fand. Es wäre ausgesprochen dumm, einem Mann treu zu bleiben, der mich im Stich gelassen hatte. Wenn ich das täte, würde ich meine seelische Gesundheit aufs Spiel setzen.
Ich winkte die junge holländische Bedienung herbei, die uns von der Bar mit einer Mischung aus Neugier und Neid beobachtet hatte, und bestellte mir noch eine Tasse Kaffee. Viggo verzichtete auf ein zweites Glas Wein.
Dann beantwortete ich seine Frage.
»Ich werde nicht mit dir schlafen, Viggo Franck, denn ich schlafe nicht für Geld mit Männern. Unter gewissen Umständen aber werde ich für dich tanzen, an einem Ort und zu einem Zeitpunkt meiner Wahl. Nicht heute und wahrscheinlich auch nicht morgen, doch es ist nicht ausgeschlossen …«
»Wo? Und wann?«
»Warum solltest du überhaupt Geld für mich ausgeben? Ich wette, die Hälfte der Frauen dieser Welt hüpft ohne zu zögern in dein Bett und verschwendet keinen Gedanken an Bezahlung. Wäre es nicht viel schöner, Viggo Franck, wenn wir Freundschaft schließen und ich als deine Freundin für dich tanzen würde?«
Er strahlte wie ein kleiner Junge, dem gerade sein Herzenswunsch erfüllt worden ist.
»Das Pistolen-Tattoo war eine spontane Entscheidung«, erklärte ich. »Überhaupt mache ich vieles aus dem Bauch heraus. Das ist meine russische Seele … so bin ich eben.«
»Und?«
Unser Gespräch wurde spielerisch, und ich spürte, dass meine Lebensgeister erwachten. Ja, ich wollte mit Viggo Franck ein Spiel treiben, aber nach meinen Regeln. Irgendwie hatte ich im Gefühl, dass er das sehr genießen würde.
»Wie gesagt, es geht mir nicht ums Geld. Aber wenn du mir etwas bringst, etwas ganz Bestimmtes, dann werde ich für dich tanzen. Für dich
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