80 Days - Die Farbe des Verlangens: Band 4 Roman (German Edition)

klarmachen, dass es meine Entscheidung war und nicht seine.
    Wir flogen noch am selben Nachmittag nach London.
    Während der ganzen Reise war Viggo zuvorkommend, aufmerksam und witzig und schaute sich nicht ein Mal nach einer anderen um.
    Auf dem Kurzzeitparkplatz in Heathrow wartete bereits sein Buick auf uns. Wie ein Besessener raste er in die Stadt und konnte es offenbar kaum erwarten, mir sein Haus zu zeigen – oder mich seinen Freunden vorzustellen.
    Viggo Franck wohnte in einem Viertel mit viel Grün, nur wenige Minuten von der Hampstead Heath entfernt. Sein riesiges Anwesen erinnerte an ein Lustschloss, und er zeigte es mir wie eine männliche Alice im Wunderland des Rock. Mir fiel gleich auf, wie viel ihm seine Objekte bedeuteten – das Haus war das reinste Kunstdepot mit Skulpturen, Gemälden, Radierungen und sogar seltenen Erstausgaben, die viel zu empfindlich aussahen, als dass man sie hätte in die Hand nehmen, geschweige denn darin lesen können. Zuerst führte er mich in ein Gästezimmer, in dem ich, wie er mir versicherte, wohnen konnte, so lange ich wollte. Der riesige Raum hatte schwarz und weiß gestrichene Wände, an denen kleine Bilder hingen, wahrscheinlich alles Originale, vorwiegend impressionistische und pointillistische Seestücke in sämtlichen Blau- und Grünschattierungen unter der Sonne, dezent und doch von hypnotischer Anziehungskraft. Bestimmt hatte Debussy Ähnliches gesehen und sich von der Farbpalette inspirieren lassen, als er »La Mer« komponierte. In dem sich daran anschließenden Badezimmer stand eine völlig abgefahrene altmodische Badewanne mit gebogenen Beinen auf Eisenklauen neben einer modernen Duschkabine ganz aus Glas und blitzendem Edelstahl.
    Ich hatte nur die Kleidung dabei, die ich nach Amsterdam mitgenommen hatte, und verteilte sie großräumig in dem tiefen Schrank mit den gläsernen Schiebetüren. Für den Fall, dass ich länger blieb, müsste ich mir einige meiner Klamotten aus New Orleans schicken lassen und mir in London ein paar neue Outfits zulegen.
    Nach ein paar Stunden holte mich Viggo ab und führte mich über eine Wendeltreppe ins tiefste Untergeschoss des Hauses. Und da war sie: seine Grotte. Das Wasser des Pools schimmerte smaragdgrün, strömte in einer Schlangenlinie durch die niedrige Höhle und teilte sie wie der Odem eines unsichtbaren Meeresgottes. Auch hier gab es rundherum Kunst, vorwiegend ganz moderne, große, kleine, bizarre und völlig stillose Stücke.
    »Toll«, sagte ich. »Aber nicht einmal diese junge Frau kann auf Wasser tanzen.«
    »Schau«, sagte Viggo und zeigte ans andere Ende des Raums, wo sich ein Wasserfall aus einem kunstvoll gestalteten Hügel aus kleinen, glänzenden Steinen in den Pool ergoss.
    Meine Bühne. Eine große, rechteckige, schwarze Steinplatte. Ein Altar.
    Ich betrachtete den Pool und die Plattform und wusste, mein Tanz für Viggo würde heilender Balsam sein und mir helfen, mein inneres Gleichgewicht wiederzufinden. Wie bei einer Taufe würde das Wasser über mich fließen und meinen Körper von allen Sünden – den lässlichen und den schweren – reinwaschen. In einem heidnischen Ritual. Und ich selbst würde als Priesterin die Zeremonie leiten, würde mir sämtliche Schichten abschälen und mich häuten, sodass ich nach einem heftigen Ruck wieder die alte Luba sein würde.
    Am darauffolgenden Abend tanzte ich für ihn. Es war ein Tanz von brodelndem Begehren, mit weißer Haut und schockierendem Pink, ein intimes Angebot wie damals vor langer Zeit, als ich für Chey getanzt hatte.
    Ich war schamlos und enthemmt wie nie, weil ich unbedingt wollte, dass Viggo Franck mich, meinen Körper und meine Nähe mehr begehrte als je eine Frau zuvor. Aber diesmal würde ich die Fäden in der Hand halten. Als mich die Musik umfing und ich mit langsamen, gezielten Bewegungen ihren Rhythmus aufnahm, sah ich ihm an, wie sehr er sich nach mir sehnte und es ihn drängte, mich zu besitzen und in seine Sammlung aufzunehmen. Während er meine irdische Gestalt nicht aus den Augen ließ, lächelte ich still in mich hinein. Dies hier würde mein neues Reich werden, der Schlupfwinkel von Viggos Meerjungfrau im Untergrund. Als die Musik endete, hielten wir beide den Atem an, sahen uns an. Hochspannung lag in der Luft.
    Da gab es nur eins: Ich begann zu lachen und sprang nackt ins kalte Wasser, um die Glut zu löschen.
    Als ich schließlich an den Rand schwamm und aus dem Pool kletterte, stand Viggo mit einem großen weißen Handtuch