80 Days - Die Farbe des Verlangens: Band 4 Roman (German Edition)
Obendrein gab Summers Einzug in die Villa der Presse neues Futter, ich musste mir also weniger Sorgen machen, dass mein Bild in der Zeitung erschien. Der Öffentlichkeitsrummel war jetzt ihr Problem, nicht mehr meins.
Summer verlor nie ein Wort über Dominik. Ebenso wenig erkundigte sie sich je danach, wie ich von einer Bühne in New Orleans nach Belsize Park in Viggos Schlafzimmer geraten war. Fast schien es, als gäbe es zwischen uns die stille Abmachung, die Vergangenheit ruhen zu lassen. Vielleicht glaubte sie auch, ich schämte mich für meine Stripperinnenkarriere. Jedenfalls war Viggo mit Abstand der Redseligste von uns dreien.
Schon bald war sie in die Tourneepläne der Groucho Nights eingebunden, jener Band, die in der Academy als Vorgruppe der Holy Criminals aufgetreten war, und ich bekam sie kaum noch zu Gesicht. Ihre Tage und Nächte waren mit Proben ausgefüllt.
Als ich dann bei ihrem Tourneeauftakt im Cigale in Paris gleich in der Reihe vor mir seinen dunklen Schopf und sein sich vor der Bühnenbeleuchtung klar abzeichnendes Profil erkannte, fragte ich mich als Erstes, ob Summer überhaupt wusste, dass er da war.
Ich war noch immer nicht hundertprozentig sicher, ob ihr Tanzmeister Dominik tatsächlich auch der Romanautor Dominik war. Doch meine Vermutung bestätigte sich nachher in der Garderobe, als er von etlichen jungen Journalisten belagert wurde, die wissen wollten, was ein ernsthafter Autor wie er denn backstage bei Viggo Franck zu suchen habe. Recherchiere er etwa für einen neuen Roman?
Dominik war die Aufmerksamkeit sichtlich unangenehm, und er wehrte sie ab, so gut er konnte. Dann verdrückte er sich in eine Ecke, machte ein unglückliches Gesicht und nuckelte an einer Flasche Mineralwasser. Eine Weile später ging ich zu ihm und steckte ihm mit verführerischem Lächeln meine Telefonnummer zu. Er meldete sich nicht bei mir, aber im Grunde hatte ich damit auch nicht gerechnet, nachdem ich gesehen hatte, wie er seine rothaarige Geigerin auf der Bühne mit Blicken verschlang.
Die Wochen verstrichen, und meist war ich allein in dem großen Haus, denn Summer war auf Tournee und Viggo mit seiner Band beschäftigt. Ich wurde praktisch nicht gebraucht.
So hatte ich unendlich viel freie Zeit und verbrachte viele Stunden damit, an Chey zu denken. Wo er wohl steckte und ob es ihm gut ging? Aber nicht allein Chey beschäftigte mich. Immer wieder schweiften meine Gedanken auch zu dem mysteriösen dunkelhaarigen Schriftsteller Dominik, in dessen Augen ich eine tiefe Leidenschaft erkannt hatte.
»Na, immer noch in deinem langen Erholungsurlaub, Luba?«, fragte mich Madame Denoux. In London war es früher Nachmittag, also musste es in New Orleans früh am Morgen sein, was hieß, dass Madame Denoux sich nicht einfach nur nach meinem Befinden erkundigen wollte. Wenn es keinen guten Grund gab, zeitig aufzustehen, blieb sie nämlich gern bis mittags im Bett. Einen Augenblick meinte ich, durchs Telefon die Magnolien zu riechen und den Mississippi vorbeirauschen zu hören.
Hier kehrten gerade die Farben des Frühling in die Parks zurück, und ich saß vor einer jüdischen Konditorei in der Golders Green Road und labte mich an Zitronentee und Törtchen, die mich an meine Kindheit in der Ukraine erinnerten. Ich war den ganzen Weg von Belsize Park hierher gejoggt, bergauf, bergab, den Haverstock Hill und auch die Hampstead High Street hinauf. Obwohl ich nicht mehr regelmäßig tanzte, versuchte ich doch, mir meine Fitness zu bewahren. Meine Eitelkeit war größer als mein heftiger Widerwille gegen regelmäßiges Training.
Die Pause hier hatte ich mir zur Belohnung geschenkt. Dabei las ich Dominiks Buch ein zweites Mal. Nachdem ich ihm nun leibhaftig begegnet war, faszinierte es mich noch mehr; und ich war noch neugieriger, was seine Beziehung zu Summer anging. Inzwischen war ich restlos davon überzeugt, dass die Elena in seinem Roman von ihr inspiriert war. Es gab so viele Übereinstimmungen, nicht allein, wie er ihr Äußeres beschrieb, sondern auch bei den intimen Schilderungen ihres Körpers. Die Lektüre rief einen kriminalistischen Ehrgeiz in mir wach, Dichtung und Wahrheit voneinander abzugrenzen. Zwar waren seine Beschreibungen in eine außerordentlich kunstvolle Geschichte eingebettet, doch nachdem ich jetzt sie und ansatzweise auch ihn kannte, hatte ich keine Zweifel mehr.
»Es ist längst kein Urlaub mehr, Madame Denoux. Es ist mein Lebensstil geworden.«
»Gut für dich, junge Frau …« Sie
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