80 Days - Die Farbe des Verlangens: Band 4 Roman (German Edition)
bedrückt, und ich blieb erst einmal eine Weile an der Tür stehen, um zu lauschen.
Offenbar vermisste sie ihre Geige.
Da fiel mir wieder ein, welch ungewöhnliche Musik sie zu ihrem Tanz gewählt hatte: Vivaldis Vier Jahreszeiten . Ich sah das Bild auf der alten Plattenhülle vor mir, die im Übungsraum der St. Petersburger Ballettakademie Staub ansetzte.
»Du solltest öfter mit uns spielen, Sum«, sagte der lockige junge Mann, der neben ihr saß, aber kaum Augen für sie hatte, so stark fesselte eine kurzhaarige blonde Frau seine Aufmerksamkeit, die wiederum Dagur anhimmelte.
Langsam, aber sicher ratterten die Zahnräder in meinem Hirn. Sum … Summer. Die Amateurtänzerin war Summer Zahova. Wie ich mich vage erinnerte, hatte die sexy Geigerin in den Vereinigten Staaten mit Plakaten für Furore gesorgt, auf denen ihr blanker Busen nur von ihrer Geige verdeckt war. Einer der reichen Männer, für die ich tanzte, hatte mich zu einem ihrer Konzerte eingeladen, nachdem er meine Debussy-Vorführung gesehen und gestaunt hatte, dass eine Frau zu klassischer Musik strippte statt zu einem gängigen Popsong. Ich würde ihn an Summer Zahova erinnern, hatte er gesagt.
Gerade sagte sie etwas von »Luba« und dehnte dabei die Vokale, wie Männer es taten, die mit mir ins Bett wollten. Offensichtlich hatte sie meinen Tanz ebenso wenig vergessen wie ich ihren. »Schließlich ist da noch Luba . Die Tänzerin.«
Der Lockenkopf reagierte überrascht.
»Woher weißt du, wie sie heißt?«, fragte er.
Sie wurde rot und fing an, eine dürftige Erklärung zu stammeln, um den wahren Hintergrund unserer Begegnung zu verschleiern.
Ich trat ein und sprang ihr bei.
»Hallo. Wir sind uns mal in New York über den Weg gelaufen«, sagte ich. »Ich war bei einem deiner Konzerte.«
Neben Erleichterung stand Summer noch etwas anderes ins Gesicht geschrieben. Nicht nur ihre Stimme verriet sie. Amüsiert beobachtete ich, wie sie versuchte, mir nicht auf die Nippel zu starren, die durch mein hauchdünnes Kleid zweifellos gut zu sehen waren. Auch wand sie sich ein bisschen auf dem Sofa, als mein Arm sie leicht streifte.
Sie hatte ganz offensichtlich keine Übung darin, ihre Gefühle zu verbergen, doch niemand sonst im Raum schien ihre Verlegenheit und Erregung zu bemerken.
Das würde ein viel leichteres Spiel werden, als ich angenommen hätte.
Ich hob eine ihrer roten Lockensträhnen und flüsterte ihr ins Ohr, wobei meine Lippen ganz leicht ihr Ohrläppchen berührten: »Erzähl mir, wie es dich in so einen Club verschlagen hat. Und wer war dein Begleiter?«
»Dominik?«
Genau. Das war der Name gewesen, fiel mir wieder ein, und weitere Erinnerungen an diese Nacht im Place kehrten zurück.
Erst später, als ich all die Turteltäubchen sich selbst überlassen hatte und in meinem Zimmer ins Bett gekrochen war, fiel mir ein, dass der Name Dominik bei mir auch noch aus einem anderen Grund hängen geblieben war. Eine verschüttete Erinnerung bahnte sich ihren Weg an die Oberfläche.
Hieß nicht auch der britische Autor des Paris-Romans mit der rothaarigen Heldin, der mir so gut gefallen hatte, Dominik? Ich lächelte in mich hinein. Das war doch bestimmt kein Zufall? Ein Blick auf das Cover bestätigte es mir: Dominik Conrad. Ich blätterte ein bisschen in dem Buch, legte es aber bald wieder beiseite und schlief sofort ein. Wie ich Viggo kannte, würde Summer auch morgen früh noch hier sein und vermutlich auch noch am Morgen danach.
Mir blieb noch viel Zeit für Nachforschungen.
Am nächsten Tag schlief ich mich gründlich aus. Ich genoss es, einmal ein großes Bett ganz für mich allein zu haben. Dann schlüpfte ich in den Badeanzug und ging die Wendeltreppe ins Untergeschoss hinunter, wo ich den Nachmittag im kühlen Wasser planschen wollte.
Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Geigerin sich auf die Suche nach mir machen würde. Schließlich vermisste sie noch immer ihre Geige. Viggos Tourmanager Eric, der sich um das Equipment kümmerte und den ich noch gestern Nacht auf Viggos Anweisung angerufen und danach gefragt hatte, hatte mir ziemlich unwirsch, ja geradezu grob die Auskunft gegeben, das Instrument sei spurlos verschwunden.
Als sie dann schließlich kam, saß ich tropfnass auf einem Stein. Es dauerte eine Weile, bis sie mich entdeckte, denn ihre Augen mussten sich erst an das dämmrige Licht und die eigenwillige Ausstattung gewöhnen. Während sie sich umschaute, trafen sich unsere Blicke, doch sie sagte nichts, sondern
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