80 Days - Die Farbe des Verlangens: Band 4 Roman (German Edition)
hielt inne. »Du bist also vollkommen glücklich?«
In Wahrheit war ich längst zu dem Schluss gekommen, dass ich zu den Menschen zählte, die nicht wussten, was Glück überhaupt ist. Immer fehlte etwas. Ein Mann. Ein Ort. Ein Gefühl. Irgendwas.
»Ich bin ganz zufrieden«, erwiderte ich schließlich.
»Gut«, sagte Madame Denoux. »Nur weil mir hier ein sehr verlockendes Angebot für deine Tangonummer von einem sehr reichen Gönner vorliegt.« Sie sprach nie von »Kunden«. »Und obwohl er aus dem aktuellen Katalog genau weiß, dass du nicht mehr zur Verfügung stehst, ist er sehr hartnäckig.«
Der Tango war immer mein Lieblingsstück gewesen. Sowohl die Musik als auch der Tanz hatten so etwas Archaisches, und mein namenloser Tanzpartner hatte mich immer stark an Chey erinnert.
Unerwartet überkam mich Nostalgie und versetzte mich an jenen Tag zurück, als ich die Nummer ebenso aufgeregt wie erregt zum ersten Mal getanzt hatte. Als ich plötzlich innerlich brannte. Dagegen hatten Viggo und all die anderen Männer und auch Frauen seit jenem Tag mir nur einen schwachen Abklatsch geboten.
Doch ich war nicht sicher, ob ich das noch einmal durchstehen würde, nachdem ich geschworen hatte, nie wieder auf diese Art zu tanzen.
»Bist du noch dran?«, erkundigte sich Madame Denoux.
»Ja«, stammelte ich. Ich fand nur mühsam in die Gegenwart zurück.
»Die Bezahlung ist fürstlich. Damit kannst du dir gleich wieder ein paar schöne Jahre machen.«
»Es war nie eine Frage des Geldes«, erinnerte ich sie.
»Das weiß ich doch, Luba. Du bist Künstlerin. Es ist eben nur so schrecklich schade …«
Ich unterbrach sie. Diese Frau verstand es, bei mir die richtigen Töne anzuschlagen. Aber so leicht würde ich mich nicht überreden lassen, schwor ich mir. Ich würde gründlich darüber nachdenken und dann sorgfältig eine Entscheidung treffen – auch wenn ich schon jetzt merkte, wie sehr es mich wieder auf die Bühne zog und ich mich danach sehnte, das Publikum bei meinem Anblick nach Luft schnappen zu hören, zu spüren, dass mir die Lust durch die Adern strömte und ein verzehrendes Feuer entzündete, von dem ich schon gefürchtet hatte, dass es für immer erloschen war.
»Ich sage nicht Ja. Ich werde darüber nachdenken.«
»Einverstanden«, erwiderte sie. »Du hast meine Telefonnummer. Sag mir einfach Bescheid, wenn du so weit bist. Lass dir ruhig Zeit …«
»Mit meinem früheren Partner?«
»Unbedingt. Das ist felsenfest garantiert.«
»Nur aus Neugier: Wo würde es stattfinden?«
Ich hatte nicht unbedingt Lust, wieder in Amsterdam aufzutreten oder in London, nachdem ich jetzt hier lebte. Es müsste schon woanders sein.
»In einer kleinen Hafenstadt, Sitges. Nur eine halbe Stunde von Barcelona entfernt.«
»Okay«, sagte ich und legte auf, bevor sie weiter in mich dringen konnte.
Ich stippte die letzten Brösel mit den Fingerspitzen auf und verstaute Dominiks Buch wieder in meinem kleinen Laufrucksack.
Wie immer war die Strecke hinunter weit schneller als beim Joggen bergauf. Viggos Villa war leer, in den vielen Zimmern lastete eine unheimliche Stille. Ich duschte erst einmal ausgiebig. Eingewickelt in einen flauschigen Bademantel ließ ich mich dann aufs Bett fallen und vertiefte mich wieder in das Buch. Obwohl ich wusste, was in den letzten Kapiteln passierte, hatte ich das Gefühl, die Story und die Charaktere neu zu entdecken und nun aus einer ganz anderen Perspektive zu sehen.
Nach dem letzten Satz ging ich online. Ich wollte wissen, ob es von Dominik noch mehr Bücher gab. Nein, offenbar nicht. Eine eigene Website hatte er nicht, aber sein Verlag informierte auf einer Seite über das Buch. Dort fand ich keine weiteren Informationen über Dominik oder weitere Romane, dafür fiel mein Blick auf einen Veranstaltungskalender. Die meisten Werbemaßnahmen für das Buch hatten bereits stattgefunden – Signierstunden in Buchläden, Lesungen auf Festivals und bei anderen Gelegenheiten. Doch der letzte gelistete Termin entlockte mir ein breites Lächeln. Schicksal oder Zufall, aber der Autor würde in wenigen Tagen zu einem Ereignis, das sich Sant Jordi nannte, Barcelona besuchen.
Madame Denoux hob beinahe sofort ab.
»Das ging aber schnell«, sagte sie, und ich konnte mir gut vorstellen, dass sich ein erfreutes Lächeln auf ihrem Gesicht ausbreitete, als wüsste sie bereits, was ich antworten würde.
»Ich mache es«, stimmte ich zu. Und nannte ihr das Datum. Entweder dann oder ohne mich.
»Nichts
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