84, Charing Cross Road
etwas zwei Mal, weshalb sie sich ein Jahr später an kein einziges Wort mehr erinnern können. Aber sie sind tief schockiert, wenn ich ein Buch in den Papierkorb werfe oder es fortgebe. Wie sie mich dabei ansehen: Man kauft ein Buch, man liest es, man stellt es ins Regal, man öffnet es nie wieder im ganzen Leben, aber MAN WIRFT ES NICHT WEG! NICHT WENN ES EIN GEBUNDENES BUCH IST! Warum nicht? Ich für meine Person kann mir nichts weniger Heiliges vorstellen als ein schlechtes oder auch ein mittelmäßiges Buch.
Hoffe, dass Sie und Nora schöne Ferien hatten. Ich hab meine im Central Park verbracht. Joey, mein lieber kleiner Zahnarzt, hat mir einen Monat freigegeben, er fuhr in die Flitterwochen, die ich ihm finanziert habe. Habe ich Ihnen erzählt, dass er mir letztes Frühjahr sagte, ich müsse alle meine Zähne überkronen oder ziehen lassen? Ich entschied mich für die Kronen, da ich mich an Zähne gewöhnt habe. Aber die Kosten sind einfach astronomisch. Deshalb wird Elisabeth den Thron ohne mich besteigen müssen. Zähne sind das Einzige, was ich in den nächsten Jahren gekrönt sehen werde. Ich gedenke NICHT, mit dem Bücherkaufen aufzuhören, Sie müssen aber etwas haben! Schauen Sie bitte, ob Sie Shaws Theaterkritiken für mich auftreiben können? Und seine Musikkritiken? Das sind, glaube ich, mehrere Bände, schicken Sie mir einfach, was Sie finden können, und hören Sie jetzt genau zu, Frankie, es wird ein langer, kalter Winter werden, und ich arbeite abends als Babysitterin, und ICH BRAUCHE LESESTOFF, SITZEN SIE ALSO NICHT LÄNGER HERUM, SONDERN BESCHAFFEN SIE MIR BÜCHER.
hh
14 East 95
th
St.
New York City
12 . Dezember 1952
An »Ihre Freunde in 84 , Charing Cross Road«: Die »Anthologie der Bücherliebhaber« hat ihre Verpackung verlassen: ganz goldgeprägt, Leder und Goldschnitt, sicher das schönste Buch, das ich besitze, die Newman-Erstausgabe eingerechnet. Es sieht so neu und unbefleckt aus, als wäre es niemals gelesen worden, aber das ist es: Es klappt ständig an den herrlichsten Stellen auf, als ob mich der Geist des früheren Besitzers auf Dinge hinweisen würde, die ich nie zuvor gelesen habe. Wie etwa auf Tristram Shandys Beschreibung der bemerkenswerten Bibliothek seines Vaters, die »jedes Buch und jede Abhandlung enthielt, die jemals zum Thema ›Große Nasen‹ geschrieben worden waren«. (Frank! Besorgen Sie mir »Tristram Shandy«!)
Ich glaube, das ist ein sehr ungleicher Austausch von Weihnachtsgeschenken. Sie werden die Ihrigen binnen einer Woche aufessen und schon am Neujahrstag nichts mehr davon haben, während ich die meinen haben werde, bis ich sterbe – glücklich sterbe im Wissen darum, dass ich sie jemandem hinterlassen werde, den ich liebe. Ich werde sie mit dünnen Bleistiftanstreichungen versehen, mit denen ich die besten Stellen für einen noch ungeborenen Buchliebhaber hervorhebe.
Dank an Sie alle. Ein glückliches neues Jahr.
Helene
37 Oakfield Court
Haslemere Road
Crouch End
London, N. 8
17 . 12 . 52
Liebe Helene!
Verzeihung, dass ich so lange brauche, um Ihnen ein paar Zeilen zu schreiben. Ich hoffe, Sie haben das mit Adlai Stevenson nicht zu schwer genommen. Vielleicht hat er beim nächsten Mal mehr Glück.
Frau Boulton würde Sie nächstes Jahr gerne bei sich aufnehmen, falls sie dann noch lebt, wie sie sagt, aber ich kenne niemanden ihres Alters, der lebendiger wäre. Ich bin sicher, sie wird die Hundert erreichen. Wie auch immer, irgendwo können wir Sie immer unterbringen. Danke für die guten Dinge, die Sie uns zu Weihnachten geschickt haben; Sie sind zu freundlich, Helene! Und wenn diese Kerle von Marks & Co. für Sie kein Festbankett veranstalten, wenn Sie nächstes Jahr kommen, dann gehören sie wirklich erschossen.
Ich hoffe, Sie hatten schöne Weihnachten. Tschüs für heute, unsere besten Wünsche und besten Dank.
Gott segne Sie!
Nora
14 East 95
th
St.
3 . Mai 1953
Frankie, Sie werden sterben, wenn ich Ihnen erzähle, dass …
Zuerst einmal finden Sie beiliegend 3 Dollar, »St. & V.« kam an und sieht genau so aus, wie Jane aussehen sollte: weiches Leder, schlank und untadelig.
Also: Ellery ist ausgelaufen, und ich wusste nicht mehr ein noch aus, stapelte Zahnarztrechnungen und wurde kreidebleich, als man mich aufforderte, eine Zusammenfassung für eine TV -Sendung zu schreiben, die Episoden aus dem Leben berühmter Männer in Szene setzt. So eilte ich nach Hause und schrieb eine Synopsis über ein
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