9 - Die Wiederkehr: Thriller
Arm um die Schultern. Er bot ihr etwas von seinem Sandwich an. Andrea biss ab. Als sie Davids Frage hörte, hielt sie im Kauen inne.
»Und, wohin geht es?«
Die Stimme drang klar aus dem Lautsprecher des Telefons. Auch Emilio hörte sie. Andrea versuchte schnell hin unterzuschlucken, doch er kam ihr zuvor.
»Nach Kuba!«, rief er fröhlich Richtung Telefon.
Warum Andrea das Gesicht verzog, verstand Emilio nicht. Und auch nicht, warum der Sprecher am anderen Ende missbilligend mit der Zunge schnalzte.
So unbekümmert wie möglich schickte Andrea ihren Mann mit einem Klaps auf den Hintern die Treppe hinauf.
»Ich komm gleich nach«, sagte sie.
Als sie seine Schritte im oberen Stockwerk hörte, gewann Andrea ihre Stimme zurück.
»Davo?«
»Nach Kuba?«, schimpfte der los. »Ist das dein Ernst? Du hast drei Wochen Urlaub und musst ausgerechnet nach Kuba fliegen? Also, du musst wirklich einen Schlussstrich ziehen. Im Ernst. Und dein Mann hat sicher keinen blassen Schimmer von der ganzen Sache.«
»Ich möchte die Reise machen, die Aarón nie machen konnte«, erklärte Andrea. »Das ist vermutlich die ideale Gelegenheit, um mit dem Ganzen ein für alle Mal abzuschließen.«
Andrea hörte David tief einatmen und die Luft laut wieder ausstoßen. Sie hörte auch, wie er den Motor seines Wagens anließ.
»Na ja, Andrea, du musst es ja wissen«, sagte er. Das letzte Wort klang erstickt, weil er bereits mit Fahren beschäftigt war. »Aber pass gut auf dich auf, ja? Und komm mich mal wieder in Arenas besuchen. Nicht erst wieder in neun Jahren.«
»Mach ich«, sagte sie. »Ganz bestimmt. Ich möchte Aaróns Mutter besuchen. Ich habe sie seit damals nicht mehr gesehen.«
»Es geht ihr nicht gut«, sagte David leise. Er schüttelte sacht den Kopf. Er dachte an die schemenhafte Gestalt, die man nur noch selten hinter den Wohnzimmervorhängen ihres Hauses am Ende des Feldwegs ausmachen konnte. Er warf einen Blick in den Rückspiegel, legte den Rückwärtsgang ein und fuhr vom Parkplatz des Open. Dann bremste er, überlegte kurz und fügte hinzu: »Aber das ist nicht deine Schuld. Nichts davon ist deine Schuld.«
»Weiß ich doch, Davo«, sagte sie. »Weiß ich doch.«
Sie erinnerte sich daran, wie Aarón den Namen seines besten Freundes ausgesprochen hatte. Wieder fühlte sie die dunkle Leere in der Brust. Andrea ließ sich das Haar ins Gesicht fallen. Sie legte auf und steckte das Telefon in die Tasche.
Dann ging sie, wie sie es an manchen Abenden vor dem Schlafengehen tat, zur Kommode im Flur. Öffnete die unterste Schublade. Und umschloss mit der rechten Faust den Stein aus dem See.
Andrea und Emilio kehrten einen Monat nach Andreas letztem Gespräch mit David aus Kuba zurück. Mit dem Rücken gegen die Haustür gelehnt ließ sich Andrea genussvoll von Emilio kitzeln, dessen Hände sich gerade von ihren Hüften zu den Brüsten vortasteten. Um sich ihm zu entwinden, drehte sie sich um sich selbst, und drückte die Tür auf. Lachend betraten sie das Haus.
»Die Koffer packe ich nicht vor nächster Woche aus«, sagte Emilio.
Dann zog er sich die Schuhe aus, schleuderte sie, ohne die Hände zuhilfe zu nehmen, weit von sich wie ein Teenager. Die Post, die unter seinem Arm klemmte, warf er auf einen Tisch. Andrea lächelte. Mit beiden Händen fasste sie unter das Haar und hob es mehrfach auf, um ihrem Nacken Kühlung zu verschaffen. Ihre Ellbogen wiesen seitwärts. Emilio kam auf sie zu und streichelte ihr über die Achseln. Sofort krümmte sich Andrea und zog den Bauch ein. Sie lachte.
»Du sollst mich nicht kitzeln«, schimpfte sie.
»Wie, so?«, sagte er und pikste sie mit zwei Fingern in den Bauch.
Andrea lachte wieder. Sie fasste ihn an den Handgelenken, zog ihn an sich und legte seine Hände auf die beiden Rundungen, wo ihre Gesäßmuskeln ansetzten. Er legte das Kinn auf ihre Schulter und atmete in ihr Haar.
»Du duftest noch nach Sonnencreme«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Du bist wunderschön, so braun gebrannt und blond. Die neue Haarfarbe war eine gute Idee.«
Andrea schloss die Augen und versuchte, nicht an Aarón zu denken.
»Ich wollte das schon seit Längerem mal ausprobieren«, sagte sie.
Sie fragte sich, ob sie sich jemals wieder mit Kamilleshampoo die Haare waschen würde. Sogleich zwang sie sich, die Gedanken an Aarón und die Bilder der Kubareise zu verscheuchen. Und umklammerte Emilio, wie ein Schiffbrüchiger einen morschen Baumstamm umklammert. Nach einer Weile öffnete Andrea die Augen.
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