9 - Die Wiederkehr: Thriller
dich geschossen wurde. Am 12. Mai.« Ihr fiel der Mann an der Aufnahme im Krankenhaus wieder ein, der das verneint hatte. »O Gott, hätte ich ihm nur richtig zugehört!« Ihr war, als könnte sie Aaróns Knöchel knacken hören. »Er hatte eine Menge Papiere. Eine Menge. Auf diesem Tisch im Wohnzimmer. Er hatte die Daten genau ausgerechnet. Er hat gesagt, dass alles übereinstimmt …« Wieder dachte sie an den Mann an der Aufnahme und fügte hinzu: »Ich verstehe es nicht. Aarón sprach von ganz genauen Zeitabständen. Von Monaten, Wochen, Tagen. Er hat das Datum ausgerechnet, an dem dieser Junge getötet werden sollte. An dem Tag, an dem auf dich geschossen wurde, fing alles an.«
»Und so ist er auf das Datum von heute gekommen.« David betonte das Wort heute. »Heute, Andrea, heute. Den 14. August. Du hast mir den Zettel gezeigt.«
Bei der Unterhaltung damals in Davids Zimmer hatte Andrea ein Stück Papier aus ihrer Hosentasche gezogen, das sie aufbewahrte, seit sie das letzte Mal in Aaróns Wohnung gewesen war. Das Stück Papier, das sie abgerissen hatte, als der Polizeibeamte sie aus dem Zimmer gedrängt hatte. Sie hatte es auseinandergefaltet. Es war knittrig und feucht gewesen. »Hast du das etwa neun Jahre lang aufbewahrt?«, hatte David gefragt. Und Andrea hatte genickt und die Lippen aufeinandergepresst, um nicht loszuheulen, während sie mit dem Daumen über Aaróns Schrift gestrichen hatte. »Dieses Datum hat er notiert. Es wird am 14. August passieren. Und wir müssen es verhindern. Das sind wir Aarón schuldig«, hatte sie gesagt.
»Aber dieser Junge ist gerade ins Open gegangen, wenn ich es dir doch sage«, beharrte Davids Stimme weiter. »Er ist gerade drin gewesen, und es ist nichts passiert. Was willst du noch? Was braucht es noch, damit du begreifst, dass das alles nur Einbildung war?«
»Du hast den Jungen gesehen«, rief ihm Andrea in Erinnerung. David am anderen Ende schwieg. »Du hast nichts von all dem geglaubt, was ich bei dir zu Hause erzählt hatte, aber … Aber dann hast du den Jungen gesehen. Du hast ihn im Fernsehen gesehen und hast mich angerufen. Du hast dasselbe in ihm gesehen wie ich. Du hast Aarón in diesem Jungen gesehen, sag mir, dass du das nicht vergessen hast.«
»Andrea«, seufzte David. »Ich habe nur einen Jungen gesehen, der mich an Aarón erinnert hat. Na und? Er sah ihm nicht einmal ähnlich. Es war … etwas . Ich weiß nicht, was. Und jetzt hat sich ja herausgestellt, dass da nichts ist.«
Zwei Tage nach der Veranstaltung im Aquatopia hatte David im Rehabilitationssraum in den stumm geschalteten Fernseher an der Decke gestarrt. Während er mithilfe einer Apparatur das linke Bein anwinkelte und wieder streckte, sah er die glücklichen Gesichter von Dutzenden von Kindern aus der Stadt im Wasserpark. Einige sprachen in die Kamera. In dem Moment tauchte der Junge auf dem Bildschirm auf. Der Gerätemechanismus, der ihm half, das Bein zu strecken, war verstummt. Mit beschleunigtem Puls hatte David auf den Fernseher gestarrt. Und in dem Augenblick hatte der Junge die Stirn gerunzelt und dabei das eine Auge weiter geöffnet als das andere.
»Nein«, sagte Andrea, jetzt lauter. »Sag das nicht. Nachdem du den Jungen gesehen hattest, hast du es auch geglaubt. Warum hast du mich sonst angerufen? Warum hast du deinen Bruder gebeten, dir dabei zu helfen, den Namen des Jungen herauszufinden? Na, David? Sag mir, warum du das alles getan hast, wenn da nur … etwas war.« Sie betonte das Wort so wie er zuvor. »Sag schon, warum?« Andrea schrie jetzt fast, und es war ihr egal, ob Emilio sie hörte. »Sag mir, warum du heute Abend zum Open gefahren bist, wenn du nichts von dem glaubst, was Aarón herausgefunden hat.«
Andrea hielt das Handy vom Gesicht weg und ließ die Hand sinken, in der sie es hielt. Mit der anderen Hand hielt sie sich den Mund zu. Erst nach ein paar Sekunden nahm sie es wieder ans Ohr.
»… hätte ich alles getan«, sagte David.
»Was?«
»Für dich hätte ich alles getan, habe ich gesagt. Egal, was. Deswegen habe ich mehrmals bei ihm zu Hause angerufen. Du hast mich darum gebeten. Du wolltest, dass ich das tue, verdammt noch mal. Als ich den Jungen im Fernsehen sah, war das ein ganz seltsames Gefühl, okay. Aber weil das war, kurz nachdem du mir das alles erzählt hast, und ich sah, wie mies es dir geht …« Er hielt kurz inne und wägte die folgenden Worte vorsichtig ab. »Auf einmal war alles voller geheimer Botschaften und fluchbelegter
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