9 SCIENCE FICTION-STORIES
Immer wieder schlugen Blitze ein, aber er ließ sich nicht entmutigen.
Bald kam er zur Höhle zurück.
Gedanke: Du bist ein Gott. Davon bin ich überzeugt. Aber der Herr des Himmels hat auch den Dieb des Seins ausgesandt. Er ist mächtig, und Ladnar wird sein Sein verlieren, wenn er hinausgeht.
»Nein, Ladnar. Ich werde dir zeigen, wie du dich schützen kannst.« Kettridge war schwach von dem Gang in das tobende Unwetter. Schweiß bedeckte seinen ganzen Körper. Die Taubheit seiner Gliedmaßen erfaßte nun den gesamten Rumpf. Er konnte nichts hören. Nur Ladnars Worte durchdrangen sein Gehirn.
Ruhig begann er den Isolieranzug auszuziehen. Nach ein paar Minuten hatte er ihn abgestreift. Er war jetzt so zusammengeschrumpft, daß er in eine Hosentasche gepaßt hätte.
Der Sturm hatte die Temperatur fast bis auf den Gefrierpunkt sinken lassen.
»Ladnar, nimm das«, sagte Kettridge. »Komm, ich helfe dir.«
Das Geschöpf sah ihn aus großen, verständnislosen Augen an. Der Terraner fühlte sich dem fremden Wesen irgendwie näher als allen Menschen, die er in den einsamen Jahren seines Exils kennengelernt hatte.
Kettridge nahm Ladnars klauenbewehrte Pranke. Er streifte ihm den Ärmel des Anzugs über, und dieser dehnte sich um fast das Doppelte seiner ursprünglichen Größe.
Nach vielem Ziehen und Zerren steckte Ladnar endlich in dem Isolieranzug.
Kettridge wollte lachen, als er das unförmige Ding in den Plastikmetallanzug eingehüllt sah. Aber das Lachen kam nicht.
»Jetzt zieh die Handschuhe an, Ladnar. Nimm sie nie ab, solange der Sturm nicht vorbei ist. Du mußt diesen Anzug immer tragen, wenn der Dieb des Seins brüllt. Dann bist du sicher.«
Gedanke: Jetzt kann ich in die Nacht hinausgehen?
»Ja – komm.« Sie gingen gemeinsam auf den Höhleneingang zu. »Jetzt kannst du dir die Katzen selbst holen. Ich wußte, daß du mir glauben würdest und habe deshalb keine mitgebracht. Komm, Ladnar.«
Er winkte ihm.
Gedanke: Wie kannst du ohne den Anzug hinaus?
Kettridge fuhr sich mit der schwieligen Hand durch das weiße Haar. Er war froh, daß Ladnar diese Frage gestellt hatte. Die Blitze erfüllten die Luft mit grellem Licht, und die Donner rollten ohrenbetäubend.
Kettridge konnte den Lärm nicht hören.
»Ich habe Brüder, die in dem Großen Haus von jenseits des Himmels auf mich warten. Sie bringen mich zurück zum himmlischen Heim. Sie werden mir entgegeneilen und mich schützen.«
Er sagte Ladnar nicht, daß seine Forschungszeit nahezu um war und daß die Jeremy Bentham mit Radarstrahlen nach seinem Anzug suchen würde.
»Geh, Ladnar, geh!« rief er und breitete die Arme aus. »Und erzähl deinen Brüdern, daß du dem Dieb des Seins getrotzt hast.«
Gedanke: Ich habe es getan.
Ladnar trat vorsichtig ins Freie, ängstlich und zögernd. Dann spannte er seine kräftigen Muskeln an und sprang hinaus in das volle Inferno des Sturms, der vergebens an der massigen Gestalt zerrte.
»Eines Tages wird der Mensch kommen und Freundschaft mit dir schließen, Ladnar«, sagte Kettridge leise. »Er wird aus dem Himmel kommen und dir zeigen, wie du leben kannst, ohne dich verbergen zu müssen.«
Kettridge sank an die innere Höhlenwand. Er war plötzlich zu erschöpft, um aufrecht zu stehen.
Er hatte gewonnen. Er hatte seine Selbstachtung wiedergefunden. Er hatte dazu beigetragen, Tausende von Leben zu vernichten, aber jetzt hatte er eine Rasse vor dem Aussterben bewahrt.
Er schloß zufrieden die Augen. So konnten ihm auch die Blitze nichts anhaben. Er sah sie nicht. Er wußte, daß Ladnar seinen Brüdern von dem Sieg erzählte.
Er wußte, daß das Schiff zu ihm kommen würde.
Ladnar kam den Hang hinauf und sah das Boot auf sich zuschweben. Es schimmerte phosphoreszierend.
Gedanke: Deine Brüder
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