9 SCIENCE FICTION-STORIES
Meilen hoch, am Ostrand des kleinen Kontinents. Ganz oben arbeiteten die Lords inmitten von Maschinen, die ihre Bedeutung verloren hatten. Dort kamen auch die Schiffe hin, wenn sie von den Sternen zurückkehrten. Ich hatte Bilder davon gesehen, aber selbst war ich nie dort gewesen. Wenn ich es recht bedenke, kenne ich niemanden, der auf Earthport gewesen war. Warum sollten wir auch hingehen? Vielleicht waren wir oben gar nicht willkommen, und die Bilder der Augenmaschine zeigten uns den Hafen ebenso gut. Für Menerima – die vertraute, langweilige, freundliche, liebe kleine Menerima – wäre es dort oben unheimlich gewesen. Das ließ mich daran denken, daß in der alten, perfekten Welt die Dinge gar nicht so klar und einfach waren, wie wir immer geglaubt hatten.
Virginia, die neue Menerima, versuchte unsere alte Spra che zu sprechen, doch dann gab sie auf und griff zu Französisch.
»Meine Tante«, sagte sie und meinte damit eine entfernte Verwandte, denn Tanten gab es seit mehr als tausend Jahren nicht mehr. »Meine Tante war eine Gläubige. Sie nahm mich mit nach Abba-dingo. Damit ich Glück hätte und fromm würde.«
Mein altes Ich war ein wenig schockiert. Das französische Ich war beunruhigt, daß dieses Mädchen etwas Ungewöhnliches getan hatte, noch bevor es Mode wurde, ungewöhnlich zu leben. Das Abba-dingo war ein lang vergessener Komputer, der sich weit oben auf der Säule von Earthport befand. Die Homunkuli beteten ihn wie einen Gott an, und manchmal gingen auch Menschen hin. Aber der Weg war mühsam, und es galt als ordinär, ihn zu gehen.
Früher jedenfalls. Bis alles anders wurde.
Ich versuchte den Unmut in meiner Stimme zu unterdrücken und fragte sie: »Und wie war es?«
Sie lachte leichthin, und doch war in ihrem Lachen eine Note, die mich zusammenzucken ließ. Wenn die alte Menerima Geheimnisse gehabt hatte, was mochte dann erst die neue Virginia tun? Fast haßte ich das Schicksal, das ausgerechnet sie mir zugeführt hatte. Denn die Berührung ihrer Hand auf meinem Arm war wie eine unzerreißbare Fessel.
Sie lächelte mir zu, ohne meine Frage’ zu beantworten. Der oberste Weg wurde gerichtet. So stiegen wir eine Rampe zum ersten Stock der Untergrundstraße hinab, die echten Menschen, Hominiden und Homunkuli zugänglich war.
Ich hatte kein gutes Gefühl dabei. Bisher hatte ich mich kaum weiter als zwanzig Minuten von meiner Geburtsstätte entfernt. Die Rampe sah sicher aus. In jenen Tagen gab es bei uns nur wenige Hominiden, Männer von den Sternen, die (obwohl menschlichen Ursprungs) so verändert worden waren, daß sie die Bedingungen der vielen Welten ertragen konnten. Die Homunkuli waren aus moralischen Gründen abstoßend, obwohl einige von ihnen nicht schlecht aussahen. Sie wurden von Tierformen in Menschenformen gezüchtet und übernahmen die langweiligen und schmutzigen Arbeiten, mit denen sich die echten Menschen nicht befassen wollten. Man munkelte, daß einige von ihnen sich mit echten Menschen gepaart hätten, und ich wollte meine Virginia nicht der Gegenwart einer solchen Kreatur aussetzen.
Sie hielt immer noch meinen Arm fest. Als wir die Rampe hinunter in die belebte Gasse stiegen, machte ich meinen Arm frei und legte ihn schützend um ihre Schultern. Es war hell, heller als das Tageslicht, das wir hinter uns gelassen hatten, aber dennoch war es seltsam und gefährlich. In den alten Zeiten hätte ich mich lieber umgedreht und wäre nach Hause gegangen, anstatt mich der Gegenwart solcher erschreckender Geschöpfe auszusetzen. In diesem Augenblick aber konnte ich mich nicht von meiner Liebsten trennen, und ich hatte Angst, daß sie mich verlassen würde, wenn ich
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