9 SCIENCE FICTION-STORIES
Kälte.
Routine erfaßte ihn. Er streifte seinen Pyjama ab und warf ihn aufs Bett; er suchte nach Handtuch und Wäsche, fand beides und machte sich auf den Weg zur Brause. Drei Minuten lang blieb er unter dem kalten Strahl. Als er in sein Zimmer zurückkam, war es acht Uhr dreizehn. Dawes lächelte. Genau nach Plan. Hätte er nur nicht diese Verben vergessen! Aber jetzt war es zu spät, sich darüber zu grämen. Er würde sich eben auf sein Glück verlassen müssen.
Sieht aus, als würde dieses Semester eine einzige, lange Schinderei werden, dachte er, während er die Kleider vom wackeligen, alten Schrank nahm und hineinschlüpfte. Er war zwanzig Jahre alt; und das dritte Jahr im Staate Ohio. Wenn alles gut ging, würde er im kommenden Jahr promovieren und die nächsten vier Jahre die medizinische Fakultät besuchen.
Wenn alles gut ging.
Um acht Uhr einundzwanzig war er fertig: die Zähne geputzt, das Haar gekämmt, das Hemd zugeknöpft, die Schuhbänder verschnürt. Die Bücher für die Vormittagsstunden lagen am Rand des Schranks. Er würde noch Zeit haben, in der Mensa etwas Orangensaft, Toast und Kaffee einzunehmen. Die Wahrscheinlichkeit einer überraschenden Prüfung in Zoologie war zu groß, um das Frühstück überspringen zu können; er benötigte jede nur aufzubringende Energie. Erstens war er mager: siebzig Kilogramm verteilten sich auf eine Länge von einem Meter fünfundachtzig, und zweitens frühstückte er gern.
Dawes ging hinunter. Es regnete noch immer, aber nur leicht und störte daher nicht sonderlich. Außerdem befand sich die Mensa ganz in der Nähe.
Vorerst kam aber die allmorgendliche Beschäftigung. Er blieb unten im Hausflur bei den Briefkästen stehen.
Seine Hand zitterte ein wenig, als er den Daumen auf die Öffner-Taste drückte. Ein Mechanismus überprüfte seinen Fingerabdruck und öffnete dann gehorsam den Briefkasten. Er nahm den Brief heraus.
Es war ein blaues Kuvert, länger als allgemein üblich, mit dem amtlichen Aufdruck »Nur für dienstliche Zwecke« an der Stelle, an der normalerweise die Marke klebte. Er überflog den Absender. Kolonisationsbüro, Abteilung eins, New York.
Er hatte ein sonderbares Gefühl im Magen, während er das Kuvert hastig aufriß.
Er war wirklich an ihn adressiert. Der Brief, feinsäuberlich in Dunkelrot auf blauem Papier getippt, kam schnell zur Sache.
Sie sind gezogen worden, an der Kolonisationsreise teilzunehmen, die am 17. Oktober von Bangor, Maine an Bord des Raumschiffes GEGENSCHEIN startet. Sie haben sich sofort bei der nächstgelegenen Registrierungsstelle des Kolonisationsbüros zu melden. Sie unterliegen nun den Bestimmungen des interstellaren Kolonisationsgesetzes aus dem Jahr 2099, und jedwede Verletzung dieser Bestimmungen wird schwerstens bestraft.
Im Auftrag von D. L. Mulholland, Präsident.
Mike Dawes las den Inhalt der Benachrichtigung viermal hintereinander. Er konnte es einfach nicht fassen, tatsächlich aufgerufen worden zu sein. Schließlich, dachte er, standen die Chancen eins zu x-tausend. In seinem ganzen Leben hatte er nur zwei oder drei Personen gekannt, die man weggeholt hatte. Da war einmal Mr. Cutley, der Inhaber des Lebensmittelgeschäftes, und Teddy Nathan, der im Nebenhaus wohnte. Und auch Judy Wellington, dachte Dawes.
Und jetzt ich.
»Verdammt, das ist nicht fair!« stammelte er.
»Was ist nicht fair?« fragte eine lässige Stimme hinter ihm.
Dawes drehte sich um. Das war Lon Rybeck, ein Senior vom ersten Stock. Rybeck trug noch den Morgenrock; er hatte keine Vorlesungen am frühen Vormittag, stand aber dennoch auf, um nach der Post zu sehen.
Stumm hielt Dawes den blauen Brief hoch. Rybecks
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