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9 Stunden Angst

9 Stunden Angst

Titel: 9 Stunden Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Kinnings
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los? Du klingst echt komisch.«
    »Ich habe einen Schuss abbekommen. Die Schmerzen sind höllisch, aber sonst geht es mir gut.«
    »Wie ist das passiert, Tommy?«
    »Das spielt jetzt keine Rolle mehr. Wir müssen durchhalten. Sie werden bis zum letzten Moment versuchen, uns anzugreifen. Aber wenn die Taufe erst einmal vollzogen ist, werden wir Gottes Werk erfüllt haben. Dann wird nie wieder jemand den Namen Belle Denning vergessen. Daran musst du immer denken.«
    »Ich liebe dich, Tommy. Wir sehen uns im Jenseits.«
    »Ich liebe dich auch, Belle. Für immer und ewig.«
    14.11 Uhr
    Zug Nummer 037 der Northern Line, erster Waggon
    Die Stimme seiner Schwester klang optimistisch und hoffnungsvoll. Es gab ihm Kraft, wenn er sie so reden hörte. Der flächendeckende Schmerz in seinem Gesicht konzentrierte sich nun auf einzelne heftige Stiche, die im Rhythmus seines Herzschlags erfolgten. Es fühlte sich an, als würde ihm jemand mit einem spitzen Schuh ins Gesicht treten, einem Cowboystiefel mit silberner Stahlkappe vielleicht. Immer und immer wieder. Manche Tritte waren schlimmer als andere. Dann hatte die Person mit dem Cowboystiefel Anlauf genommen. Er hoffte wirklich, dass das Ende schnell kam und ihn von seinen Schmerzen erlöste. Manchmal änderte sich die Frequenz der Stiche. Dann waren sie nicht mehr tief und wummernd, sondern hoch und schrill, dann ersetzten erbarmungslos in sein Zahnfleisch gestoßene Nadeln den Cowboystiefel.
    Er wusste, dass der Schmerz nur eine Prüfung war. Wenn er die Prüfung bestand und die Taufe an all diesen Menschen vollzog, würden sämtliche Engel im Himmel seinen Namen singen. Er war nicht so weit gekommen, um jetzt aufzugeben und zu scheitern. Gott war bei ihm. Er war auch bei seiner Schwester. Tommy hörte Gott aus der Stimme seiner Schwester. Belle war eine Prophetin.
    »Bye, Tommy.«
    »Das ist kein Abschied, Belle. Es ist nicht das Ende, sondern der Anfang.«
    »Ich weiß, Tommy.«
    »Sei stark, Belle.«
    »Das bin ich, Tommy. Versprochen.«
    Er nahm den Finger von der Sprechtaste und ließ das Walkie-Talkie ins Wasser fallen. Er brauchte es nicht mehr.
    Seine Beziehung zu Belle war nicht rein spiritueller Natur. Sie hatten auch tollen Sex miteinander, verstanden sich blind im Bett. Vielleicht hatte es damit zu tun, dass sie Zwillinge waren. Manchmal dauerte ihr Liebesspiel mehrere Stunden, und dennoch erreichten sie genau gleichzeitig den Höhepunkt. In gewisser Weise würde es heute genauso sein.
    14.19 Uhr
    Zivilfahrzeug der Polizei, Leicester Square
    Ed hörte, wie Nick Calvert mit den Polizeibeamten sprach, die die Evakuierungszone bewachten, und ihnen seinen Dienstausweis zeigte. Die sonst so tiefe, männliche Stimme seines Kollegen hatte nun einen krächzenden, schrillen Unterton, der seine innere Zerrissenheit verriet. Sie hatten kein Wort miteinander gewechselt, während Calvert den Wagen durch den Londoner Verkehr gesteuert hatte. Das war auch nicht nötig gewesen. Ed wusste, dass sein Vorhaben Calvert vor einen Gewissenskonflikt stellte. Nick Calvert war ein erfahrener Polizist, der stets Dienst nach Vorschrift verrichtete. In einer Verhandlungszelle konnte man sich keinen verlässlicheren Kollegen wünschen. Doch jetzt verlangte Ed von ihm, dass er gegen seine Prinzipien handelte. Wenn er seine Mission ohne Calverts Hilfe hätte durchführen können, hätte er es getan. Sie wussten beide, dass das nicht möglich war, und so drangen sie nun mit einem geheimen Vorrat Plastiksprengstoff und einem ehemaligen Bombenleger der IRA in eine der bestgeschützten und überwachten Zonen des Planeten ein.
    Nachdem sie sich ausgewiesen hatten, sagte der Uniformierte zu Calvert: »Gut, Sie können parken. Die Verhandlungszelle befindet sich auf dem Sattelschlepper dort drüben.«
    »Danke.«
    Calvert drückte auf den Fensterknopf, und die Scheibe fuhr mit einem leisen Summen wieder nach oben. Er rollte einige Meter weiter, parkte in der Nähe des Sattelschleppers und schaltete den Motor aus.
    »Ed, wir sind da. Ich gehe davon aus, dass Sie nicht mit in die Verhandlungszelle kommen. Was soll ich den anderen sagen?«
    Ed hörte deutlich die Angst und die Verunsicherung aus Calverts Stimme heraus. In seiner eigenen Stimme hätten vermutlich die gleichen Empfindungen gelegen, wenn er sofort geantwortet hätte. Aber er musste selbstbewusst auftreten und überzeugend klingen, denn Calvert war der entscheidende Schlüssel zu seinem Vorhaben. Er sollte glauben, dass er das Richtige tat

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