9 Stunden Angst
und dass Eds Plan auf ernsthaften taktischen Überlegungen beruhte und kein panischer Akt der Verzweiflung war. Die Wahrheit lag irgendwo dazwischen.
»Wir machen Folgendes, Nick: Ich bleibe mit Conor und dem Professor hier im Auto, während Sie in die Verhandlungszelle gehen und so viele Informationen wie möglich sammeln. Was weiß das Rechenzentrum über Telefonate und Nachrichten der Passagiere und Terroristen aus dem Zug? Wir müssen wissen, wie hoch das Wasser steht, ob es neue Entwicklungen bezüglich eines Schnellzugriffsplans gibt. Wenn Sie das alles in Erfahrung gebracht haben, kommen Sie so schnell wie möglich wieder zu uns zurück, Nick.«
»Was, wenn ich mit Ihren Plänen nicht einverstanden bin, Ed?«
Ed wäre es lieber gewesen, wenn Calvert diese Frage nicht gestellt hätte. Er hatte dennoch eine Antwort parat.
»Wenn Sie nicht mitmachen, Nick – und das wäre angesichts der Umstände durchaus verständlich –, bleibt uns nichts anderes übrig, als die Hände in den Schoß zu legen und zu warten.«
»Und zwar darauf, dass alle sterben«, murmelte Calvert.
Ed schwieg. Sein Kollege hatte sich seine Frage soeben selbst beantwortet.
»O Mann, was mache ich da nur?«, sagte Calvert leise.
Ed wurde nicht schlau aus diesem Satz. Machte Calvert einen Rückzieher, warf er das Handtuch? Bevor er zu einem Schluss gelangen konnte, sprang Nick aus dem Auto und schlug die Tür hinter sich zu.
Ed wandte sich an Frank Moorcroft, der neben ihm saß. »Frank, sagen Sie mir doch bitte so kurz und knapp wie möglich, wie lange es noch dauern wird, bis der Tunnel voll ist.«
»Ich kann Ihnen nur eine sehr grobe Schätzung liefern, weil ich keinerlei Erkenntnisse darüber habe, wie porös das angrenzende Mauerwerk und Gestein ist. Wenn man jedoch die Fließgeschwindigkeit des Lime, den derzeitigen Pegel der Themse sowie die Menge an möglicher Versickerung berücksichtigt …«
»Kommen Sie zum Punkt, Frank, ich bitte Sie.«
Der Professor verstummte. Nach einer kurzen Pause sagte er: »Vielleicht zwanzig bis dreißig Minuten? Allerdings …«
»Glauben Sie, dass es auch mehr sein könnten?«
»Das ist durchaus möglich, aber unwahrscheinlich.«
»Ist es wahrscheinlicher, dass sogar noch weniger Zeit bleibt?«
»Ja.«
»Wie hoch steht das Wasser Ihrer Einschätzung nach zum jetzigen Zeitpunkt, Frank? Ich weiß, dass es sie schmerzt, keine akkuraten Antworten geben zu können. Versuchen Sie es dennoch. Bis wohin würde das Wasser einem durchschnittlich großen Mann gehen? Bis zur Taille? Zur Brust? Zur Schulter?«
»Bis zur Brust vielleicht?«
»Kommen wir zur Sprengung im Versorgungsschacht: Wo müsste man den Sprengstoff optimalerweise platzieren, um eine Schneise zur Ableitung des Wassers zu schlagen?«
»Ich finde Ihre Frage äußerst unangemessen, da mir keinerlei Daten zur Verfügung stehen, die es mir erlauben würden …«
»Frank, man wird Sie hinterher nicht zur Verantwortung ziehen, darauf gebe ich Ihnen mein Wort. Ich frage Sie lediglich nach Ihrer persönlichen Meinung, mehr nicht. Was ich mit Ihren Antworten anstelle, ist meine Sache. Dafür übernehme ich ganz allein die Verantwortung. Mir liegt nicht daran, Sie zu kompromittieren. Es geht mir darum, das Leben der Passagiere im Zug zu retten.«
Es schien ihm gelungen zu sein, Moorcrofts Vorbehalte zu zerstreuen, was der Langatmigkeit des Professors jedoch keinen Abbruch tat. Umständlich erklärte er, dass unter Berücksichtigung der Zugposition die ideale Stelle für einen Durchbruch etwa zwanzig Meter hinter dem Heck des Zuges liege.
Ed versuchte, absolute Klarheit zu erlangen: »Ist das nicht zu nah am Zug? Wir wollen den Terroristen auf keinen Fall Arbeit abnehmen und die Fahrgäste selbst in die Luft jagen.«
»Meinem Empfinden nach wäre der Abstand durchaus ausreichend, zumal Sie bedenken müssen, dass die Mauersteine und Felsbrocken zwischen den beiden Schächten die Wucht der Druckwelle größtenteils abfangen würden. Das wäre zumindest der angestrebte Idealfall.«
Die Fahrertür wurde aufgerissen.
»Von den Entführern gibt es keine neuen Nachrichten«, berichtete Calvert, nachdem er eingestiegen war und die Tür hinter sich zugezogen hatte. »Das Verhandlungsteam versucht weiterhin, Kontakt zu Denning aufzunehmen, was meiner Einschätzung nach nicht gelingen wird. Vom Rechenzentrum heißt es, die Kommunikationsflut aus dem Zug habe innerhalb der letzten Stunde erheblich abgenommen, was auf die verminderte Akkuleistung
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