90 Tage auf Bewaehrung
Liebeskummerabende und -nächte bei Kerzenschein und literweise billigstem Lambrusco erinnern. Kerstin jetzt in diesem selbstzerstörerischen Erinnerungsmoment zu bitten, ach, das war so schön, erzähl doch noch mal, hab ich mich echt nicht getraut. Deshalb erzähle ich Ihnen mal schnell die Geschichte:
Erstens rief die Ex-Frau, wobei die zwei noch nicht geschieden waren, ihres neuen Freundes dauernd an, zweitens wollte er ständig mit der reden, und drittens fühlte sich Kerstin irgendwann wie das fünfte Rad am Wagen. Die Gespräche waren banal: »Wie funktioniert das mit dem Heizkessel?« oder »Weißt du, wo wir die Versicherungsunterlagen abgelegt haben? Sag mal, hast du die Fotos vom letzten Urlaub eigentlich? Ich hab deiner Mutter versprochen, ihr ein paar Abzüge zu schicken.«
Ja, die Fotos waren da. Kerstin fand sie im Nachttisch. Wenigstens war seine Ex-Frau jetzt kein Phantom mehr für sie. Und aus der 1,78 m großen Pamela-Anderson-mit-dem-IQ-von-Albert-Einstein-Blondine ihrer Phantasie wurde eine brünette, mittelgroße, nicht mehr ganz schlanke und nicht
mehr ganz junge, normale Frau. Aber eben eine mit gemeinsamer Vergangenheit.
Seine Ex konnte nicht loslassen, ihm fiel es nicht auf. »Wieso, was issn? Wieso bist du denn beleidigt? Wir haben doch nur telefoniert?!« Das Dilemma mit der Ex-Frau schwebte wie ein Dämon über ihrer Liebe. Er konnte ihr tausend Mal versichern, dass er nie, nie, nie zu ihr zurückwollen würde in diese horrorvolle Ehe ohne Liebe, ohne Geborgenheit, ohne Sex. Er wollte seiner Ex-Frau nach der Scheidung sogar den Nachnamen aberkennen lassen und hasste als i-Tüpfelchen obendrauf ihr Auto in seiner Garage. Kerstins größter Fehler war, ihm trotz Intuition zu glauben. Wäre sie ihrer Skepsis nachgegangen, hätte ihr Herz vielleicht keine solche dramatische Bruchlandung erfahren.
Denn ihre Beziehung hielt sechs Monate, dann zog er wieder bei seiner Ex-Frau, dem Heizkessel und den Versicherungsunterlagen ein.
Die Begründung war einfach: Auch während der Trennung hatten er und seine Frau keine Liebe, keine Geborgenheit und natürlich auch keinen Sex. Dennoch griffen ihre Mechanismen genau wie zu der Zeit, als die zwei noch ein Paar waren. Sie rief, er sprang. Kein Wunder, dass Kerstin sich da allenfalls als Geliebte in dieser Dreiecksgeschichte sah. Und er? Er war ein Weichei. Denn er hatte die Tricks seiner Frau nicht durchschaut. Sie spielte so lange an den richtigen Knöpfen, bis er wieder vor ihrer Tür stand.
Natürlich hielt die Ehe nicht. Ein Jahr später verließ sie ihn endgültig, sie hatte sich ent- und neu verliebt. Er blieb zwischen den Heizungskesseln und Versicherungspapieren sitzen. Allein. Jetzt wollte ihn Kerstin auch nicht mehr. Die Reparatur ihres Herzens hatte zu viel Kraft gekostet.
Die Erinnerung an diese Geschichte machte meine Laune nicht deutlich besser. Die Macht der Ex-Frauen war eindeutig eine große. In meiner Phantasie jedenfalls.
Um mich selber zu motivieren, blubberte ich laut in die Runde: »Ich bewundere Frauen, die mit ihrer Vorgängerin gemeinsam Weihnachten feiern und ihr auch in der Küche hilfreich zur Hand gehen - sie wissen ja, wo alles liegt. Während sie den Truthahn geschickt filetiert...«
Ich würde sie vor meinem geistigen Auge im Bett mit meinem Liebsten sehen (schließlich waren sie ja Jahre zusammen). Im Ernst, da war ja mal was. Und in besonders intimen, vertrauten Momenten blitzt es auch schon mal wieder auf. Diese netten, internen, kleinen Witzchen: Weißt du noch, Weihnachten 97, als Tante Frieda den Truthahn über den Schoß... Hahaha. Ich würde herzhaft und ein bisschen zu laut mitlachen und mich fragen, was dieser ganze Scheiß soll.
Sabrina guckte zufrieden. »Ich weiß überhaupt nicht, was ihr wollt, Mädels. Ich habe ein wunderbar entspanntes Verhältnis zu meinem Ex-Mann Nummer eins. Ich freue mich, wenn ich alle paar Monate mal mit ihm telefoniere. Dann höre ich mir die Geschichten über seine drei kleinen Kinder aus zweiter Ehe an und freue mich diebisch, dass ich nicht die Mutter bin.«
Das nenne ich verarbeitet!
Natürlich bleiben Menschen, die mal eine gewisse Zeit zusammen waren, miteinander verbunden. Und seltsamerweise ist es dabei egal, ob in Wut oder Liebe.
Wenn einer den anderen allerdings nicht loslassen will, gibt es immer Wege. SMS, Anrufe, zufällige Begegnungen. Gerne auch das Arrangement um den gemeinsamen Hund oder schlimmer noch um Kinder, Haus, Geld, Firma, Familie.
Sogar
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