90 Tage auf Bewaehrung
verdammt viel Geld dafür, dass sie das da wegmacht. Wieso war die nicht hier, wo ich sie so nötig brauchte? Kann sein, dass sie jetzt was von »noch nicht gefestigt, haben sich noch nicht für die Beziehung entschieden« gesagt hätte. Gut, sie hätte Recht gehabt. Aber musste denn dieser Mann bei mir im Flur nach nur knapp drei Wochen seine komplette Identität wechseln?
»Wo warst du?«, fragte ich.
»Na im Büro. Dann war ich mit dem Auto kurz in der Werkstatt. Wieso?«
»Mann, wer hat dir und mir das angetan?«
Ich begann zu hyperventilieren und schaltete einen Gang runter. »Ich wollte wissen, bei welchem Friseur du warst.«
»Ach so. Enrico.«
»WAS? Du gehst zu Enrico? Und was hat das gekostet?«
»Reg dich nicht so auf! Ich hab’s doch bezahlt. Gut, ist’n bisschen teurer, dafür gibt’s aber auch immer diesen leckeren Thunfischdip. Und die Haare sind schön kurz, muss also nicht so oft hinrennen.«
Gerne hätte ich ihm gesagt, dass er aussah wie ein Hammel nach der Schur - aber erstens kannte ich ihn so gut nun auch noch nicht, dass ich mich das getraut hätte, und zweitens wusste ich, dass ich so oder so schon längst meine Grenze überschritten hatte. »Sag’s, wie viel?«
»65 oder so.«
»EURO?«
»Ja. Lire nimmt der nicht, auch wenn er Enrico heißt. Hast
du heute zu heiß gebadet?« Sein Blick wurde etwas unruhig. Wahrscheinlich fand er mich gerade genauso befremdlich wie ich ihn.
Okay, er hatte mein Problem erkannt. »Jetzt stell dich nicht so an, wächst doch wieder. Und in der Zwischenzeit kannst du mich küssen. Dabei machst du doch eh die Augen zu.«
Während ich ihn küsste, dachte ich noch mal kurz über die 65 Euro nach, selbst Udo Walz, Berlins regierender Friseurmeister und Guru aller Jetset-Hühner, nimmt nur 35 Euro für einen Männerhaarschnitt.
Gut, nun ist der zweitwichtigste Mann im Leben einer heterosexuellen Frau ohne Zweifel ihr Friseur. Ihm muss sie blind vertrauen - seinem Geschmack, seinem Talent, seinem Gespür für Takt, Diskretion und als sprudelnde Informationszentrale. Wer ist in der Stadt, wer mit wem, wann und warum, wer mit wem nicht mehr und warum, wer ist in, wer out, wer möchte in sein und ist nur peinlich, mit wem muss man gesehen werden und mit wem auf gar keinen Fall? Ich sage Ihnen jetzt, wie es ist: All das interessiert mich nicht die Bohne, aber erklärt natürlich seinen Preis!
Also musste ich mir doch jetzt zwangsläufig die Frage stellen, wie viel weibliches Potential in meinem Liebsten steckt. Wenn er zum teuersten Friseur der Stadt geht, muss er sehr interessiert sein am Innenleben der Berliner Gesellschaft. Wie sich später allerdings herausstellte, ist er einfach nur dahin gegangen, weil er zum ersten Mal richtig zufrieden war mit der Leistung eines Friseurs. Auch ein Mann will schön sein!
Ich guckte also noch mal genauer hin und stellte fest: Der Schnitt saß. Das Styling war perfekt. Irgendwie typgerecht. Es stand ihm! Die Blöde war ich.
TIPP
Verändern Sie Ihre äußere Form in den ersten vier Wochen auf gar keinen Fall! Es ist dumm, albern und total überzogen, aber durchaus menschlich, auf solche Veränderungen sensibel und ungerecht zu reagieren. Wir brauchen ja sowieso Zeit, um uns an das Gesamtobjekt zu gewöhnen, und entdecken stets neue Facetten. Wenn er jetzt mit zwei Zentimeter kürzeren Haaren kommt, kann das zu großen Verunsicherungen führen. Männer sind da etwas unkomplizierter. Sie nehmen Veränderungen nicht zwangsläufig als Katastrophe wahr (zwei Jahre später nehmen sie sie gar nicht mehr wahr!) Einzige Ausnahme: Wenn Sie lange blonde Haare haben, wäre es äußerst unklug, sie in kurz und schwarz zu verwandeln. Es könnte ihn in tiefe Depressionen stürzen, weil er seit Mama einfach immer schon auf blond und lang konditioniert war! Möglicherweise ist er dann so schnell weg, wie er aufgetaucht ist!
Hat jemand unsere Freundin gesehen?
Ich habe eine Freundin, und die nervt mich im Moment extrem. Seit sie vor anderthalb Jahren Steffen kennen lernte, ist sie untergetaucht. Einfach nicht mehr zu sehen. Inzwischen wohnt sie bei ihm, arbeitet, kocht, wäscht für ihn und umtuddelt ihn - und wenn ich mal anrufe, hat sie mit Sicherheit gerade keine Zeit - wenn sie überhaupt ans Telefon geht. Die Krönung war die traditionelle Einladung zum Geburtstag meiner Mutter. Nichts Aufregendes. Nur ein Frühstück mit meinen Freundinnen, die im Laufe der Jahre wie ihre eigenen Kinder wurden. Um elf sollte es losgehen, um
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