90 Tage auf Bewaehrung
Schulden schweißen Menschen wieder zusammen. Hauptsache, der Kontakt bleibt bestehen. Stellen Sie sich folgendes Bild vor: Sie bauen gerade mit Ihrem Schatz ein neues Haus, während er nebenan mit seiner Ex das alte gemeinsame Haus einreißt. Auf der einen Seite kümmern Sie sich liebevoll um schöne Farben, tolle Tapeten. Auf der anderen Seite wirbelt der Bulldozer von nebenan Staub und Dreck auf Ihre Wände. Wie soll da was schönes Neues entstehen?
»Also, ich steh total auf Sex mit dem Ex«, flötete Jörg, während er eine Nudel zwischen seinen Lippen lautstark und saucespritzend einsaugte. »Wenn mein Aktueller rumzickt, ruf ich einen von meinen Verflossenen an. Zum Notficken findet sich immer was.«
»Jetzt aber aus die Maus!« Vier Fäuste für die Liebe streckten sich in die Luft. Ronja, Kerstin, Sabrina und ich fielen über Jörg her wie Mütter im Kampf gegen die Mafia. Die anderen Fäuste hauten wir auf den Tisch.
»Genau das ist das Thema, du Blödmann! Ihr Männer seid tatsächlich alle gleich. Egal, ob homo oder hetero!«, schnaubte Ronja wütend. »Schließlich sitzen wir doch hier, um unserer Freundin das Phantom aus dem Schädel zu hämmern, und nicht, um alles noch viel schlimmer zu machen. Verstanden?«
»Und was mach ich jetzt?«, um mich mal wieder kurz an dieser Stelle ins Spiel zu bringen. Ich war es wohl auch, die hier ein ernsthaftes Problem hatte.
»Akzeptiere doch einfach, dass er eine Vergangenheit hat. Du bist doch auch eine für einige Herren. Solange die Vergangenheit verarbeitet ist und auch als solche gelebt wird, kannst du vertrauen. Wichtig ist dabei selbstverständlich, dass die Nummer zwischen beiden geklärt ist und keiner
noch in alten Gefühlen hängt, im alten Revier zu wildern versucht. Und besorge dir endlich ein Foto von seiner Ex, damit du von dem 1,80-m-Trip runterkommst, meine Hübsche.«
In solchen Problemsituationen profitierten wir alle von Sabrinas zahlreichen Ehen und Affären.
Ich habe ihm Tage später ein Foto aus dem Schreibtisch geklaut. Lag ganz unten. Ich musste lange suchen. Und hundertprozentig sicher, ob »sie« es ist, bin ich mir auch nicht. Aber mit diesem Foto kann ich leben. Maximal 1,65 m.
Unser erstes Jubiläum
Endlich! Endlich konnten wir unser erstes gemeinsames Jubiläum feiern! Gut, andere tun das bereits nach der ersten Woche, wir wollten nicht ganz so albern sein und hatten uns auf den ersten Monat geeinigt.
Schwieriger war es, sich auf das Datum zu einigen. Wann haben wir uns noch mal kennen gelernt? Ist das der entscheidende Moment? Oder der erste Kuss? Das erste Date? Die erste Nacht? Früher war das ganz einfach. Als Christian St. aus der C-Klasse mich gefragt hat, ob ich mit ihm gehen will, zählte ganz klar dieser Tag. Gut, so oder so war es überschaubarer, mit Christian ging es nicht mal eine ganze Woche. Hatte man aber Glück, und die Schullieben hielten länger, konnte man aus zweieinhalb Wochen, die man miteinander ging, durchaus mit flotter Hochrechnung auch schon einen ganzen Monat machen, was erfahrungsgemäß zu neidischen Blicken der Mitschülerinnen führte. Ein Monat! Boaahh! Das war damals schon fast Silberhochzeit.
Heutzutage klingt ein Jahr auch schon wie eine irre lange Strecke.
Und wir hatten jetzt also auch unseren ersten Monat. Für ihn. Für mich waren es ein Monat und drei Tage. Seine Berechnung begann mit dem ersten Kuss, meine mit dem ersten Blick in seine blauen Augen. Da wir uns sein Datum leichter merken konnten - nämlich den 1. Februar -, gab
ich dann nach. Der 27. Januar klingt auch blöde. Für frisch Verliebte ist so ein Jubiläum ausgesprochen wichtig! Es wird zelebriert wie eine kleine Hochzeit. Okay, eine ganz kleine.
Oha... Hörte ich jetzt tatsächlich Hochzeitsglocken für mich läuten? Würde ich denn jetzt ernsthaft heiraten wollen? Man liest ja immer wieder von solchen großen Vorbildern wie Britney Spears. Heiraten nach nur wenigen Tagen. In meinen Tagträumen sah ich mich durchaus schon als Braut. In einem Kleid, das Karl Lagerfeld nur für mich entworfen hatte und das natürlich viel, viel üppiger als das von Verona wäre. Auf den Stephansdom kann ich verzichten. Ich stellte mir eher eine kleine, pittoreske Dorfkirche irgendwo in England vor. Alle meine Freunde um mich geschart, die besten Freundinnen in gleichen Kleidern als Brautjungfern, eine sprachlose Mutter, die doch irgendwie immer ahnte, dass das mit ihrem Kind ein gutes Ende nehmen würde, und ein sensationell gut
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