90 Tage auf Bewaehrung
man ahnt jetzt schon, dass sie wohl kaum die Chance auf Silberhochzeit haben.
Ich weiß, wovon ich spreche. In meiner vorletzten Wohnung war ich so bekloppt, dass ich eine Farbberaterin engagierte - zu einem horrenden Honorar im Übrigen. Die kam mindestens zehn Mal, zu jeder Tages- und Nachtzeit, bei jedem Wetter, weil sie die Lichtstimmung in allen Zimmern, zu allen Gelegenheiten testen wollte. Am Ende war dann mein Flur mintgrün, das Wohnzimmer taubenviolettblau, Flur zwei golden, Esszimmer pastellgrün, das Büro wassertürkis und das Schlafzimmer dramatisch rot-rot-rot gestreift - drei verschiedene Rottöne, die irgendwie zum roten Samt der Vorhänge passten. Im Nachhinein kann ich jeden Mann verstehen, der sich bei so viel Tamtam schwerst unter Druck gesetzt fühlte. Mein Spleen ging so weit, dass ich beim Kauf eines Pyjamas fast durchgedreht wäre. Ich konnte mich für keine Farbe entscheiden: Hätte ich einen gekauft, der ins Schlafzimmer passt, wäre ich im Wohnzimmer, auf
dem Weg zum Klo, ein Fall für die Farbpolizei geworden. Ich gewöhnte mir vorrübergehend an, nackt zu schlafen, und dachte dringend über eine Frau wie Frau S., meine kurz danach engagierte Analytikerin, nach. Nach meinem Umzug war ich dann schlauer - in meiner jetzigen Wohnung habe ich mir diesen Zirkus erspart. Die Wände sind jetzt alle zartzartzart-altrosa mit einem Hauch von beige. Okay, im Bad sind die Wände mit Stoff bezogen. Nur in der Küche hat’s mich noch mal gerissen: Ich wollte eine Frida-Kahlo-Küche in zwei verschiedenen Lilatönen - überall Madonnen, Kitsch, und der Papst hängt da auch. Der alte natürlich!
Für meine Analytikerin Frau S. eine sichtbare Verbesserung meiner Neurosen. Und ich kann jetzt Schlafanzüge in allen Farben kaufen.
Als ich die Wohnung meines Liebsten zum ersten Mal betrat, war ich nervös, angespannt und kaute sechs von zehn Fingernägeln durch. Schließlich wusste ich aufgrund meiner und der Erfahrungen meiner Freundinnen um die Ernsthaftigkeit dieses Augenblicks.
Ein verschlampter Technikfreak, ein Zwangsneurotiker mit Hygienetick oder ein Mann, der im Bad die HSV-Fan-Handtücher stapelte, die er sich zum 14. Geburtstag gewünscht hatte, und ansonsten noch die Einrichtung aus seinem Kinderzimmer bewohnte - all das hätte nie funktioniert. Aber was soll ich sagen, auch in diesem Punkt hatte ich Glück: Seine Wohnung war wie meine - nur in männlich. Gut, die Küche war jetzt ein bisschen sachlich, nüchtern, kühl - aber nach weiteren vier Wochen stand auf seinem Kühlschrank eine Madonna, umringt von einer chinesischen Lichterkette, Orchideen und einer Postkarte mit dem Bild vom Papst! Dem alten natürlich!
Im Grunde ist es am einfachsten, wenn Sie den erlesenen
Geschmack haben und es ihm scheißegal ist. Dann setzen Sie sich einfach durch, wenn Sie irgendwann zusammenziehen. Kompromisse müssen ja nicht sein. Wer in Winnie-Puuh-Biberbettwäsche pennt, interessiert sich wahrscheinlich ohnehin nicht für die Namen der Designer, die für die diversen, sündhaft teuren Sitz-, Wohn-, und Liegeelemente verantwortlich zeichnen, die genau nach Feng Shui ausgerichtet, passend in der Wohnung verteilt sind.
Schwieriger wird’s, wenn zwei designverliebte Hobby-Inneneinrichter aufeinander stoßen, zwei, die alle Zeitschriften zum Thema Architektur abonniert haben, wissen, welche Designer gerade im MOMA in New York gefeiert werden und welcher Künstler in dieser Saison unbedingt an ihre Wand muss. Da wird unter Umständen die gemeinsame Wohnungseinrichtung zum Kriegsschauplatz, und verhandelt wird ähnlich hart wie bei der Zusammenlegung von zwei internationalen Großkonzernen.
Damit Sie nicht Ihr Waterloo erleben, müssen Sie hart streiten - um jedes Ihrer Lieblingsstücke. Wenn Sie das also alles auf sich zukommen sehen und trotzdem darüber nachdenken, mit ihm zusammenzuziehen, arbeiten Sie geschickt und strategisch perfekt nach Machiavelli einen weibischen Geheimplan aus. Machen Sie ihn einfach abhängig von sich und Ihren Lieblingsmöbeln. Oder brechen Sie in eine Bank ein, gewinnen Sie im Lotto, erben Sie ein stolzes Sümmchen und kaufen Sie das riesige Haus auf Long Island, gleich neben meinem …
Unser erster Streit
Klong. Ich hörte dieses Geräusch sehr genau. Das war ich. Ich war gerade von Wolke sieben grausam hinabgestürzt auf den Boden der Realität und hatte mir schwerste Prellungen auf der Seele zugezogen. Bis eben war ich noch eine glücklich verliebte Frau gewesen. Und bis
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