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90 Tage auf Bewaehrung

Titel: 90 Tage auf Bewaehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Fisher
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zu ignorieren, dass er ein Liebesleben vor mir hatte.
    Allerdings muss ich natürlich einräumen, dass ich mich grundsätzlich gerne auch mal streite. Am liebsten über Banales. Ich mag das mediterrane Temperament bei Auseinandersetzungen, das geistige Reiben aneinander, heftige Auftritte mit kraftvollen Argumenten und auch mal wirkungsvollem Türenschmeißen! Richtig Spaß macht es, wenn mein Streitpartner mitspielt.
    Und ich liebe leidenschaftliche Versöhnungen… Aber das ist ein anderes Kapitel.

Zwei Tage ohne ihn

    »Wir haben uns gestritten. Ich habe meine Tasche gepackt und bin abgehauen. Und jetzt sind wir beide damit beschäftigt zu denken, was der andere wohl gerade denkt, und wissen dabei so wenig. Er denkt, dass ich denke, was ich denke, was er denkt. Dabei weiß er gar nicht, was ich denke. Woher auch. Ich weiß ja auch nicht, was er denkt, denke aber zu wissen, was er denkt. Ich weiß ja nicht mal selbst, was ich denken soll. Verstehen Sie mich?«
    Meine Analytikerin Frau S. blieb wie immer stumm. Herrgott, konnte sie denn nicht einmal, wenigstens nach so viel abgesondertem Gefühlskauderwelsch, eine menschliche Reaktion zeigen? Schließlich war ich in Not und sie meine teuer bezahlte Therapeutin. Mir ging es schlecht, ich war unglücklich und einsam. Himmelarschundzwirn, konnte sie nicht mal einen einzigen Satz sagen? Eine Anleitung, die mir den Weg zurück in mein Glück zeigte? So eine Art Beipackzettel für Beziehungen in Not?!
    Gerade in diesem Moment fragte ich mich mal wieder, welchen Sinn Therapiestunden bei einer Analytikerin, die mir mit schönen, übereinander geschlagenen, schwarz bestrumpften Beinen gegenübersaß, eigentlich haben? Wieso erzählte sie mir denn nichts von sich? War sie verheiratet? Hatte sie Kinder? Was hatte sie für Macken? Mochte sie keine lilafarbenen Veilchen, und hatte sie Angst, über Brücken zu laufen?

    Wäre es nicht wirklich fair, wenn sie aus sich nicht immer so ein Geheimnis machen würde? Mich auch in ihre intimsten Momente einweihte? Nein. Definitiv nicht. Ich wollte es nicht wissen! Aber was ich sofort, in dieser Sekunde, augenblicklich, sozusagen JETZT wissen wollte war, wie ich aus diesem Dilemma rauskommen sollte, in dem ich mich befand. Seit zwei Tagen hatte ich nichts von ihm gehört. Okay, er auch nicht von mir. Funkstille - seit 36 Stunden, 24 Minuten und 21, 22, 23 Sekunden... Seine letzte SMS lautete: »Flieg nicht zu hoch!« Ich bitte Sie, was war denn das: Flieg nicht zu hoch? Ich habe sie 422 Mal gelesen, meiner Mutter, allen Freundinnen und natürlich Frau S. vorgelesen (ich konnte mir diesen Satz einfach nicht merken!) und forderte alle auf, mit mir diesen simplen, dennoch wahrscheinlich höchst komplizierten, bedeutungsschwangeren Gedanken meines Freundes (war er es noch?) zu analysieren.
    Ich fühlte mich schrecklich. Ich hatte natürlich auf diese SMS geantwortet: »Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.« Total bescheuert. Aber mir fiel in dieser Sekunde einfach nichts ein. Anstatt mal ein Stündchen abzuwarten, das Temperament runterzuschrauben und die Wut verrauchen zu lassen, hackte ich wie eine Blöde ins Handy. (Man sollte es mir einfach wegnehmen in solchen Momenten. Und kein Wunder, dass heute noch mehr Ehen scheitern. Wie viele Dinge blieben ungesagt, hätte man diese SMSen nicht erfunden!)
    Tja, und nun: der Super-GAU! Die letzte SMS kam von mir, und er hat nicht geantwortet. Eine Grippe mit 39,9 Grad Fieber, zwei gebrochene Rippen und Migräne zusammen könnten nicht furchtbarer sein als der Zustand, in dem ich mich befand. Ich war todunglücklich, konnte aber leider sehr gut essen, wollte mich auf nichts anderes konzentrieren,
war nicht bereit, mich ablenken zu lassen, und hörte traurige, melancholische Musik, die das alles noch viel, viel schlimmer machte. Schwarze Bluesmusik, ausgedacht von geschundenen Sklaven auf den Baumwollfeldern im Süden der USA. Ich wollte ein Eis. Oder zwei. Vielleicht auch mit Sahne.
    Zum ersten Mal hatte ich übrigens mein Handy nicht ausgeschaltet, während ich auf die Beine von Frau S. starrte. Es lag neben mir, auf leise gestellt, und ständig schielte ich zwischen Bein und Handy hin und her, ob nicht doch eine SMS mein Handy zum Leuchten brachte. Also, da war er bestimmt - war eben noch vorbeigefahren. Vorbeigefahren stimmt auch nicht ganz: Ich hatte mit Ronja, Burger, Pommes und einem Liter Cola vor seiner Wohnung hinter einem großen LKW geparkt - um mal so zu gucken. Doch,

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