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90 Tage auf Bewaehrung

Titel: 90 Tage auf Bewaehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Fisher
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eben hatte ich nicht gewusst, dass man sich innerhalb von 27 Sekunden entlieben kann. Für immer!
    Wir hatten uns gestritten. Würden uns nie wieder lieben können. Ganz ausgeschlossen.
    »Doch, doch, das geht. Hab ich auch schon mal genau so erlebt!«, sagte Kerstin, die dreifache Mutter, die ich natürlich sofort angerufen hatte.
    »Süße, ich kenne das Gefühl. Eben ist es noch die große Liebe, und plötzlich willst du ihm den Schädel spalten. Eben noch hast du dich mit ihm in 40 Jahren gemeinsam auf der Parkbank sitzen sehen, und einen Moment später willst du deine Koffer packen, ihn verlassen und zu deiner Mutter zurückgehen. Und das, obwohl du noch nicht mal zu ihm gezogen bist.«
    Bei Kerstin begann die Katastrophe an einem schönen Sommertag am Berliner Schlachtensee. Eigentlich wollte sie mit ihrem Schatz nur rudern gehen. Sich sanft vom Wasser schaukeln lassen, direkt ins blickdichte Schilf fahren und dann hemmungslos und wild knutschen und so …
    Womit sie überhaupt nicht gerechnet hatte, war sein
sportlicher Ehrgeiz. Nüscht da mit Romantik. Nicht etwa, dass er ihr ins Boot half. Sie musste sich schon allein über die wankenden Planken hinweg irgendwie ein Plätzchen ergattern. Und kaum dass er saß, riss er sich auch schon die Ruder unter den Nagel und haute in die Riemen. Wie ein Bekloppter strebte er offensichtlich den Seerekord an. Wahrscheinlich wollte er sich mit den Joggern am Ufer messen. Jeder Versuch von Kerstin, a) sie selber mal rudern zu lassen oder b) ein wenig Tempo aus dieser Aktion zu nehmen, scheiterte kläglich. Sie hätte brechen mögen bei seiner Machoansage: »Komm, lass mal, hm? So kommen wir ja nie vom Fleck, ha ha ha!« Also ruderte er, und sie schmollte so vor sich hin.
    Langsam spürte sie, wie sich der strahlend blaue Sommerhimmel genau über ihr merklich verdunkelte. Da zogen doch Gewitterwolken auf? Während ihm der Schweiß von der Stirn tropfte (lecker) und die Muskelberge unter seinem T-Shirt anschwollen, unternahm sie einen weiteren Versuch, ein bisschen Romantik in diesen vermurksten Nachmittag zu bringen. »Guck mal, Süßer, die vielen knutschenden Pärchen, wie hübsch die da so in ihren Bötchen vor sich hin dümpeln. Wollen wir nicht auch mal’ne Pause machen...«
    »Gerne, aber pass auf, dahinten ist es noch schöner. Wir sind ja gleich da.« Eine halbe Stunde später fragte sie: »Wie lange ist denn gleich?« Er antwortete nicht mehr. Während Kerstin schon an den langen, langen Rückweg dachte, ruderte er immer noch um sein Leben.
    Jetzt sagte auch sie nichts mehr. Und wurde saurer und saurer und saurer. Als sie endlich da waren, fand sie es nur doof da, und er musste sich erst mal ausruhen. Nach unendlichen fünf Minuten des Schweigens und Apfelsaftschorle-Schlürfens (wegen der Energie) guckte er auf die Uhr, sprang
erschrocken auf - das Boot wäre beinahe gekentert - und rief: »Scheiße, wir müssen zurück, das Boot abgeben. Wir sind ja schon fast zwei Stunden unterwegs!« Ach nee …
    Kerstin schwor sich: Ich rudere nicht, auch nicht wenn dir die Arme abfallen! Selbstverständlich hatte er auch nicht vor, das Ruder aus der Hand zu geben. Und jetzt erkannte sie ganz genau an seinem Gesichtausdruck: Nur für ihn sollte Withney Houston »One Moment in Time« singen, ja, er wollte nur einmal ganz oben auf dem Siegertreppchen stehen und die Goldmedaille um den Hals gehängt bekommen! Gott! Er spielte Olympia, während sie im Geiste ihren großen Auftritt bzw. Abgang plante. Eine Wagner-Inszenierung sollte es werden!
    Nach zwei weiteren Stunden auf dem See bei absoluter Funkstille zwischen beiden war’s dann mit der Ruhe vor dem Sturm vorbei! Jung Siegfried wollte von seiner Kriemhilde ausgiebig gefeiert und bejubelt werden. Aber Kriemhilde rammte ihm ihre Eiseskälte in den Solarplexus. Sie verweigerte sich komplett - nicht sprechen, nicht anfassen, nicht angucken! Ein bewährtes Mittel weiblicher Kommunikations- und Manipulationsstrategie. Kindisch, aber funktioniert immer. »Ich will einen Mann an meiner Seite, der mit mir den gleichen Sinn für Romantik teilt!«, schrie sie ihm ins Gesicht. »Du hast mich die letzten vier Stunden schnöde missachtet, du Idiot! Ich glaube, das wird nichts mit uns.«
    Was für ihn vier Stunden Sport an der schönen frischen Luft war, bedeutete für sie Ignoranz ihrer weiblichen Bedürfnisse. Und während er doof guckte, nahm sie ihre knochentrockene Badetasche und stapfte wütend an schwitzenden Menschen auf Decken und

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