Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

90 Tage auf Bewaehrung

Titel: 90 Tage auf Bewaehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Fisher
Vom Netzwerk:
dabei mit dem Fuß gegen die Türkante knallte. Und dann war’s nur der Mann von der Post oder der Kontraktbereichsbeamte, der mitteilen wollte, dass der PKW abgeschleppt werde.
    Jetzt bin ich gefühlsmäßig ständig voll am Ball. Jeder Anfall von Verliebtheit, jede noch so kleine, nette Begegnung, jede aberwitzige Situation teile ich meinem Liebsten mit. Sofort.

    Es ist ja heute beinahe schon unvorstellbar, dass zwei Menschen, die sich kennen lernen, als ersten Schritt miteinander telefonieren. Die heutige Flirt-Kommunikationsregel Nummer eins heißt: SMS schreiben! Short Message Service. Was mal als Informationshilfe gedacht war, mutiert zum »Postillon d’Amour«. Es ist ja auch viel einfacher, seine Gefühle nur so mit ein paar, wahlweise auch mit unglaublich hippen Abkürzungen gespickte, wohl und lang überlegte Zeichen ins Handy zu tippen, als sich stotternd am Telefon einen abzubrechen... Wer ein bisschen talentiert ist, schafft so locker mal die ersten schwierigen Hürden. Am Telefon ist es bedeutend mühseliger, sich aufeinander zuzubewegen. Stellen Sie sich allein bei der Terminabsprache oder Wahl eines Restaurants die schlimmen, stillen Schweigesekunden vor, wenn man geplagt und verfolgt von einer anfänglichen Schüchternheit, plötzlich den Faden verliert und sich stattdessen die Lippen blutig kaut.
    Aber - nun gibt’s ja nichts ohne Schattenseiten. Verflucht sei dieses System, wenn einer einfach nicht schreiben kann, nicht die richtigen Worte findet, die richtigen Buchstaben falsch aneinander reiht. Was, wenn seine SMS mehr Rechtschreibfehler enthält als sein Schulaufsatz aus der dritten?
    Eine andere Falle sind die Missverständnisse, die sich ja aufgrund sehr hoher Erwartungen ergeben. Frau legt sich ins Zeug und mutiert zur Rosamunde-Pilcher-Courths-Mahler-Dichterin. »Mein Liebster. Es ist, als verschmelzen unsere Seelen, ganz nah will ich dich spüren, dich berühren, mich in dir verlieren.« Und von ihm kommt ein unglaubliches »Ja. Super. Bin dann erst mal mit den Jungs weg. Geh schon mal duschen. Tschö mit ö.« Wie bitte? Tschö mit ö? Das ist genau so asselig wie »Schüssikowski« oder einfach nur »Schüssi«. Bin ich ein Stammtischbruder? Okay, an kleinen
Formulierungsschwächen kann man schleifen. Aber viel schlimmer ist, dass er nicht mal annähernd so poetisch, romantisch und gefühlvoll mit Worten umgehen will oder kann. Oder gleich über Sex schreibt, wenn man doch eigentlich nur ein bisschen »Cyber-Kuscheln« möchte. Auch dieses Exemplar gäb’s bei mir nur temporär. Zur Erweiterung meines Erfahrungsschatzes, den ich ja gern mit Ihnen teile.
    Noch komplizierter wird es, wenn zwei sich komplett nicht verstehen. Denn gesprochene Worte haben eine Melodie, einen Klang, eine bestimmte Betonung - man erkennt Ironie oder Liebe in der Stimme.
    »Du mich auch« kann witzig sein, wenn man’s sagt, und tödlich beleidigend, wenn es der eine schreibt und der andere falsch versteht. Der einfachste Weg, Humor auszudrücken, sind ja Smilies. Mein Handy hat sogar eine ganze Batterie von Smilies anzubieten mit unterschiedlichen Gesichtsausdrücken. Die Zeiten von:-) sind also vorbei. Ich finde das komplett affig, außerdem kann ich auf meinem Display sowieso nicht erkennen, was welcher Smilie für ein dämliches Gesicht macht.
    Die dreizehnjährige Tochter meiner Freundin Sabrina hat mir neulich eine SMS geschickt, die mit folgender Buchstabenkombination unterzeichnet war H.D.G.G.G.D.L. Äh? Na klar, sagt Sabrina, dass wissen doch ALLE. Ja, alle Mütter vielleicht. Oder alle Menschen unter 15! Also H.D.G.G.G.D.L. heißt »hab dich ganz ganz ganz doll lieb«. Ehrlich, möchten Sie so eine SMS von einem Mann bekommen?
    Welche Bedeutung SMSen auch haben können, erkennt man vielleicht erst im Fall einer Krise oder Trennung. Dann wird jedes »Ich liebe dich« zu einem Schlag ins Gesicht. Man schaut auf das Sendedatum und fragt sich, wieso er am
2. Mai seine Liebe erklärt hat und sich am 7. trennte. Und das Schlimmste ist, dass mit jeder gelesenen SMS die Tragik über den Verlust und das intensive Gefühl der Liebe wieder gegenwärtig werden. Man liegt im Bett, heult vor sich hin und quält sich mit seinen Drei-Groschen-Romanen, die eben noch die Welt waren und jetzt Dreck sind!
    Kerstin durfte da etwas ganz Spezielles erleben: Ihr Freund trennte sich von ihr, hielt aber Kontakt. Drei Monate nach der Trennung, an ihrem Geburtstag, stand er mit hochrotem Gesicht und vor Freude leuchtenden

Weitere Kostenlose Bücher