90 Tage auf Bewaehrung
Königspudel und seinen schwulen Besitzer.
So kann ich nicht arbeiten - 118 SMSen die Stunde
Ich war ja nicht nur verliebt, ich war ja nebenbei auch noch berufstätig. Das bedeutete, ich musste auch in diesem Zustand arbeiten! Besonders sportlich wird es, wenn man sich nicht mit verklärtem Gesicht hinter einem PC verstecken kann, sondern in einer Talkshow Menschen zu ihrem Glück oder Unglück befragen darf, obwohl man eigentlich nur über IHN reden möchte.
Nein, man möchte eigentlich mit niemand anderem reden. Nur mit ihm. Morgens, mittags, abends, nachts und zwischendurch. Direkt oder - dem Himmel sei Dank, oder wer auch immer diese Technik erfunden hat - per SMS. 160 Zeichen voller Liebe, Leidenschaft, Sehnsucht, Lust, Gefühl, Humor... Ein winziges Display, das die Türen zu einer rosaroten Wolkenwelt öffnet. Herrlich... unserer Welt. Ein bisschen unangenehm nur, wenn man das Handy alle 30 Sekunden bearbeitet, während man sich in Gesellschaft befindet.
Ronja haben wir erst mal die Tastentöne ausgestellt und sämtliche Nebengeräusche eliminiert, die so ein Handy machen kann. Sie saß nämlich tagelang an der Seite ihres Chefs in einem sehr wichtigen Meeting - es ging um Millionengeschäfte, die Partner waren aus USA angereist und wollten konzentriert an den Verträgen arbeiten..., und permanent piepste, surrte, schnurrte ihr Handy. »Du süße Sau, kann nicht aufhören, an gestern Nacht zu denken.« So ein
Satz reichte komplett, um Ronja aus der Fassung zu bringen. Ihr Poker-Geschäfts-Gesicht verwandelte sich innerhalb einer Zehntelsekunde in das eines Luders. Und während die Geschäftspartner aus den USA über Vertragspunkt 18.6, Absatz 7 diskutierten, hackte Ronja ein schnelles »Du willst es also auch jetzt« in ihr Handy und grinste noch blöder. Sie müssen sich vorstellen: das Ganze begleitet von nervtötenden Pieptönen. Unhöflich, respektlos und einfach egoistisch.
Irgendwann gingen der verliebten Ronja die Erklärungen für diesen SMS-Marathon aus, und sie wäre fast mit ihrem Handy aus dem Meeting geflogen. Im Übrigen stand sogar die Kündigung im Raum. Wer hätte dann ihre Handykosten zahlen sollen? Also rannte sie in größter Panik auf die Toilette, rief mich an und bat um technische Soforthilfe. Ich als SMS-Königin kenne alle Tricks und brachte ihr Telefon sofort zum Schweigen. Ich kann auf meinem Handy schneller SMSen schreiben als die beste Stenotopystin mit ihrem Stift.
Das allerdings setzt einwandfrei einsatzfähige Finger voraus. Mit verbundenen Daumen wird es dann schon sehr viel schwieriger. Und ich hatte solche.
Für ein Stück Fernsehgeschichte mit Jörg Pilawa musste ich nämlich innerhalb von wenigen Tagen lernen, Speiseteller aus Porzellan auf einer Stange zu drehen, damit einer Familie aus Stuttgart verschiedene Wünsche erfüllt werden konnten. Ich sollte irgendwie acht Teller zeitgleich drehen, die Stöcke abstellen und das Theater am Laufen halten. Während des Übens fielen mir die Teller immer wieder auf den Kopf oder die Hände. Nicht nur, dass mir ohnehin für diese Technik kein Talent mitgegeben wurde, ich wollte doch eigentlich nur schnell an mein Handy, um seine SMSen zu
lesen... Jedes Mal, wenn also mein Handy piepste, war ich in akuter Lebensgefahr... Stellen Sie sich vor: bleischwere Teller aus Porzellan mit dem nötigen Schwung direkt in mein Gesicht …
Ich höre die Stimme des Trainers noch heute: »Frau Fisher, wenn Sie das bis übermorgen schaffen wollen, müssen Sie sich schon etwas konzentrieren.« Er dachte natürlich, dass mich dieser Mist irre anstrengen würde - das Einzige, was wirklich an meinen Nerven zerrte, war die von außen mutwillig herbeigeführte, quasi erzwungene SMS-Abstinenz! Obwohl ich wirklich hart geübt habe, und das über mehrere Tage, versagte ich dann schließlich doch in der Sendung. Ich möchte mich noch nachträglich bei der Familie aus Stuttgart entschuldigen!
Ich kann mich einfach nicht erinnern, wie ich früher meine Sehnsucht gestillt habe, als es noch keine Handys und SMSen gab. Na gut, es gab Phasen der Verliebtheit, in denen ich auf einen Anruf wartete und mich niemals mehr als drei Meter von dem häuslichen Telefon (mit Schnur!) wegbewegte. Sogar der Gang aufs Klo wurde hinausgezögert, bis die Blase fast platzte. Ich ging nicht aus, verließ die Wohnung nur widerwillig bis gar nicht und brach mir mindestens zweimal den kleinen Zeh, weil ich vom Schlafzimmer ans klingelnde Telefon ins Wohnzimmer hechtete und
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