90 Tage auf Bewaehrung
sich für uns freute.
Was man von meiner Familie so einfach nicht sagen konnte. Zumindest nicht von meinem Vater. Ich hatte uns beiden einen Kochkurs zu Weihnachten geschenkt - und jetzt standen wir von morgens bis abends mit zehn weiteren Personen in einer fremden Mietküche und kreierten ein Vier-Gänge-Menü. Abends durften wir dann einige Gäste
dazuladen. Wunderbare Gelegenheit, meinem Vater meinen Liebsten zu präsentieren.
Wieso assoziierte ich spontan den Film »Eine Leiche zum Dessert«? Nun gut, meiner Intuition konnte ich eigentlich immer vertrauen, was mich aber in diesem Fall keinesfalls beruhigte. Mein Vater ist wirklich ein ausgesprochen sympathischer Kerl - aber leider hat er auch einen ausgeprägten Spieltrieb in sich. Er liebt es, andere Menschen in unmögliche Situationen zu bringen. Er ist nicht bösartig, ehrlich nicht, aber er wäre der perfekte Regisseur für die »Versteckte Kamera«. So ließ er alle weiteren Kochkursteilnehmer wissen, dass es sich heute Abend um einen äußerst spannenden Moment für einen jungen Mann handeln würde.
Alle wussten Bescheid, grinsten blöd und lauerten auf das, was jetzt kommen sollte und ich auch nicht mehr verhindern konnte. Mein Liebster kam, stellte sich vor, gab brav Pfötchen, und Papa ließ ihn mit einem schnöden »Aha« abblitzen. Dabei hatte er den Gesichtsausdruck eines gelangweilten Orang-Utan-Oberhauptes, das am Jungvolk weniger als kein Interesse hatte. Ich weiß nicht genau, aber waren DAS die schlimmsten Sekunden meines Lebens? Mein Liebster war so cool, grinste frech und sagte: »Soso!« Die Szene spitze sich dann noch zu, als den übrigen Beteiligten die Kochlöffel aus der Hand rutschten vor Schreck. Dann endlich: »Hahaha, willkommen, mein Junge. Wollte nur mal meine Tochter schocken! Freut mich seeeehr! Toll. Komm!« Bevor mein Vater mal wieder die Theorie aufstellen konnte, dass er es eher für möglich hielte, dass seine Tochter an einer Haltestelle von einem Bus überfahren würde, als mit über 30 doch noch einen Mann zum Heiraten zu finden, begann Gott sei Dank das Essen.
Meine Mutter haben Sie ja schon ein bisschen kennen
gelernt: Ihr war es eigentlich schnuppe, in wen ich mich verliebt hatte. Sie vertraute auf meinen guten Geschmack. Hauptsache war, dass die Chance auf Enkelkinder in greifbare Nähe rückte …
TIPP
Für alle, die nicht so viel Schwein haben, gibt’s natürlich ein paar Psychotricks, mit den Schwiegereltern klarzukommen:
Für Schwiegertöchter und -söhne:
- Mami hat nicht immer Recht! Klären Sie Ihre eigenen Probleme mit dem Partner, bevor der Familienrat tagen muss.
- Sagen Sie NEIN zu großen Geschenken (auch wenn’s extrem verlockend ist und schmerzt, es abzulehnen)! Manchmal sichern sich Eltern damit Macht und Einfluss auf Ihr Leben.
- Nutzen Sie die Weisheit und Erfahrung der älteren Generation - das schmeichelt und hilft unter Umständen wirklich manchmal (es war ja nicht alles schlecht!).
Für Schwiegermütter und -väter:
- Ja, Ihre Kinder sind erwachsen. Ja, sie haben ihre eigene Familie. Ja, sie haben ihre eigene Wohnung. Akzeptieren Sie das einfach. Leben Sie ein eigenes, erfülltes Leben.
- Lassen Sie Ihre Kinder ihre Fehler selber machen! Nur so funktioniert das Leben.
- Seien Sie gerne Baby-, Haus- und Hundesitter, aber nur, wenn Sie es wirklich wollen. Drängen Sie sich nicht auf und lassen Sie sich nicht ausnutzen.
Das zweite Jubiläum
Am nächsten Tag war es so weit. Da kannten wir uns genau zwei Monate. Zwei aufregende, interessante, schöne, spannende, manchmal auch nervende, zweifelnde, aufreibende Monate. Zwei wunderbare Monate meines Lebens. Was hatte sich geändert? Viel. Eigentlich alles. Es gab keine langweiligen Single-Sonntage mehr. Ich lernte kochen. Ich hatte Platz gemacht im Kleiderschrank und im Bad.
Ich war sieben Jahre lang Single. Ich hatte Spaß gehabt, Sex, es gab einsame Nächte, eine Menge magische Rituale, spirituelle Momente mit meinen schwulen Freunden, wunderbare Weiberabende, die erst morgens um fünf in Karaoke-Gegröle endeten. Kurz, es war gut.
Was es nicht gab, war der Eine. Den, den man anruft, wenn die eigene Mutter spinnt, wenn der Hund stirbt, wenn der Bauch wehtut oder wenn man glaubt, vor Glück zu platzen, weil endlich, endlich der lang ersehnte Vertrag da ist.
Was ist besser? Das Abenteuer? Der Spaß der Nacht? Der Luxus von Gesichtscreme und Wollsocken in Seidenbettwäsche? Oder das vertraute Atmen aus dem Nachbarbett, das zärtliche
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