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90 Tage auf Bewaehrung

Titel: 90 Tage auf Bewaehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Fisher
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»Guten Morgen, Schatz« und die Gewissheit, Silvester um Punkt 12 Uhr von dem Menschen geküsst zu werden, den man liebt.
    Jetzt endlich mal verliebt. Immer noch. Und ich erlebte den Himmel und die Hölle gleichermaßen. Wie sehr wünschte ich mir, dass alles wäre wie bei Doris Days »Ein Pyjama für
zwei«. Doch was hatte ich? Liebe, Liebe, Liebe und Ängste, Ängste, Ängste. Und auch Stress! Vieles stresste mich auf einmal. Seine sechs Jahre weniger, meine Oberschenkel, seine Freunde, meine Mutter, seine Vorliebe für Fußball im Fernsehen und meine drohende Lieblingsserien-Fernsehabstinenz. Manchmal fürchtete ich, nie mehr bedenkenlos meine »Golden Girls« oder die »Simpsons« nachts im Bett (natürlich!) sehen zu können.
    Eigentlich wollte ich jetzt am liebsten in die Kirche gehen und eine Kerze anzünden. Aber es regnete, außerdem bin ich vor zwei Jahren aus diesem Verein ausgetreten. Das muss man sich mal vorstellen: Da heiratet meine Freundin kirchlich, und die Pfarrerin beginnt allen Ernstes ihre Rede mit folgenden Worten: »Liebes Brautpaar, liebe Gäste. Normalerweise steht das Brautpaar im Mittelpunkt. So soll es auch heute sein. Aber ich möchte gerne mit dieser Orgel dort oben beginnen. Schön, ne? Ja, aber leider ist sie aus Plastik. Wir wünschen sie uns aus Holz. Und dafür brauchen wir Ihre Kollekte.« Bei meiner Konfirmation war genau der gleiche Mist. Meine Mutter, in Hütchen und Kostümchen, steckte sich voller Vorfreude drei Taschentücher in ihr Täschchen. Auf Tränenbäche vorbereitet, konnte sie enttäuscht nicht ein einziges Tröpfchen vergießen. Unser Pfarrer zählte die ganze Zeit auf, woran es seiner Kirche mangelte: Das Dach musste repariert werden, die Scheiben waren marode und überhaupt. Damals war ich zu jung, um eine Entscheidung zu treffen. Diesmal bin ich zwei Tage nach der Hochzeit ausgetreten.
    Ich zündete trotzdem eine Kerze an und stellte sie ins Küchenfenster. Der liebe Gott ist ja überall.
    Manchmal frage ich mich auch, wie es meinem Liebsten geht. Gut natürlich, ich bin ja seine Freundin. Aber auch er
hat Platz gemacht im Kleiderschrank und im Bad, aber vor allem in seinem Leben. Er schenkt mir seine Zeit, sein Vertrauen und seine Geduld (und die braucht er auch - nicht nur wegen meiner mangelnden Kochkünste). Da kommt ja auch eine Riesenwand auf ihn zu - da ist eine sieben Jahre lang Single, sechs Jahre älter, komplett neurotisch, aber genauso wie Julia Roberts in »Notting Hill« doch einfach »nur ein Mädchen, das geliebt werden möchte«. Für diesen Satz sollte ich mir das mit der Kerze noch mal überlegen und dem Universum schwören, nie wieder so einen Scheiß zu schreiben.
    Ziehen wir mal Bilanz: Er ist immer noch bei mir. Das ist schon mal sehr gut! Er ist bei weitem nicht so empfindlich wie ich, er ist cool und gelassen genug, meine Spinnereien zu ertragen (Gut, mindestens die Hälfte bekommt er ja gar nicht mit! Die laufen ja als Film in meinem Kopf ab!) Aber wenn er sie mitbekommt, dann liebt er sie sogar. Noch! Er weiß, wie ich aussehe mit erhöhter Temperatur und kurz vorm Ableben, er kennt mich morgens, mittags, abends, nachts, und ich weiß, dass er doch Geräusche macht! Ha! Er schnarcht. Manchmal. Okay, er röchelt eher, vor allem, wenn er erkältet ist. Aber Geräusch bleibt Geräusch. Und seltsamerweise kann ich damit leben, manchmal beruhigt es mich sogar. Ich habe seine Familie schon kennen gelernt und hatte Spaß. Irgendwie. Wenn man auf Geschichten über Hundesterbehilfe steht... Und wir haben geklärt, was wir mögen und was nicht. Ich muss jetzt keinen Fußball mehr gucken.
    Kurz - wir können miteinander reden. Das sind gute Voraussetzungen, das zweite Jubiläum zu feiern und sich auf das dritte zu freuen.

3. Monat

Die erste Langeweile

    Ein ganz normaler Sonntagmorgen. Regen, Wind, kein Mensch will wirklich nach draußen. Mein Liebster und ich mögen so ein Wetter eigentlich - wir gehen dann immer gerne zusammen in unser Lieblingscafé frühstücken. Okay, wir gehen theoretisch gern. Weil wir praktisch gestern den ganzen Tag zusammen in Cafés verbracht haben, vorgestern auch und das gesamte letzte Wochenende ebenso. Es war dieser Sonntagmorgen, wo wir zum ersten Mal nicht so recht wussten, worüber wir sprechen sollten - alles war irgendwie gesagt. Es lag auch kein besonderer Reiz mehr darin, sich gegenseitig aus der Zeitung vorzulesen. Schließlich geht selber lesen auch schneller. Nach dem Frühstück und der Lektüre das

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