90 Tage auf Bewaehrung
Terminen, einfach mal zusammen nichts tun. Ein schwieriges Programm. Es schien mich an diesem Sonntag mehr zu überfordern als Sabrinas Power-Event-Schedule.
Ich fühlte mich ein bisschen in Lauerposition. Erwartete er jetzt was von mir? Musste ich sprechen? Sollte ich schweigen? Wollte er, dass ich mich auf ihn werfe? Er saß einfach da und tat nichts. Ich grübelte. Und trommelte nervös mit den Fingern im Dreivierteltakt, wie Klopfer auf der Suche nach Abenteuern. In diesem Moment drehte er seinen Kopf, lächelte mich an und sagte ziemlich schlau: »Süße, sei doch einfach nur gemütlich. Sei einfach da. Mehr nicht.« Aha. »Und wie genau ist man einfach nur da?«, nervte ich und unterbrach sein anspruchsvolles Fernsehprogramm.
»Leg dich zu mir auf die Couch, kuschel dich in meinen Arm, lass dir den Kopf kraulen und bring doch vorher noch den Tee aus der Küche mit. Und die Schokolade. Dann müssen wir die nächsten Stunden nicht mehr aufstehen. Der Sonntag könnte doch gar nicht schöner sein. Hol dir Kraft und sei einfach nur ruhig!«
Wie, nicht mehr aufstehen? Wir sind doch erst vor ein paar Stunden aufgestanden! Mein Vater hat auch immer auf der Couch gelegen, boa, wie mich das als Kind gelangweilt hat! Aber ein Experiment war’s ja vielleicht mal wert. Ich holte Tee und Schokolade und lümmelte mich in seine Arme. Und erlebte Erstaunliches: ein Gefühl wahrer, vollendeter Wonne. Wie Erdbeeren mit Schokoladenpudding und einem Schuss Eierlikör.
Also, ich fasse mal zusammen: Ja, wir haben uns sehr gemütlich gelangweilt. Ich fand’s wirklich gut auf der Coach. Aber bitte nicht jedes Mal. Deshalb kaufte ich mir am nächsten Tag Strickzeug, Malen-nach-Zahlen-Heftchen, einen Spanischkurs für Anfänger auf CD und ein Kochbuch. Somit war ich gewappnet gegen verregnete Sonntage, langweilige Gerichtsshows und fühlte mich schließlich durch meine eigene Aktivität nicht mehr ganz so »nur zu Besuch«.
Was ist Langeweile eigentlich, warum graut’s mir so vor ihr? Langeweile ist ein Gefühl der Lustlosigkeit infolge von Monotonie. Liegen wir also Sonntag für Sonntag auf der Couch, gehen jedes Wochenende ins gleiche Café, spazieren immer um den gleichen See, wird’s zäh, öde und frustrierend. Langeweile ist für mich das Gegenteil von Abwechslung und Freude. Wenn dann noch einer in meiner Gegenwart gähnt, könnte ich vor lauter innerer Unruhe die Wände hochgehen und ihm eine kloppen. Dann bin ich wie ein Kind, das gerade nicht weiß, was es denn als Nächstes machen soll, wie es sich beschäftigen kann, und alle um sich herum nervt.
So schlimm die Definition für Langeweile auch klingt, so schön war ja dieser Couch-Sonntag. Die Wahrheit sieht wahrscheinlich so aus: Ich werde in Zukunft lernen, mich auch mal dem Gefühl der Langeweile auszusetzen (ich achte dabei natürlich auf die richtige Dosierung!), und darauf aufpassen, dass er ein bisschen aktiver wird und weiß, dass mich Gerichtsshows definitiv überhaupt gar nicht, nicht ein klitzekleines bisschen, nicht mal als Recherche für das Sozialverhalten meiner Mitbürger interessieren. (Die Dinger ertrage ich nur ausnahmsweise, wenn ich eine ausführliche und raffinierte Kopfmassage von ihm bekomme!)
Eifersucht
»Ich wusste es gleich, der ist einfach zu gut, um wahr zu sein«, schnaufte Katharina, Sabrinas Kusine dritten Grades aus München. Wir trafen sie auf ein Gläschen Champagner an der Austernbar im KaDeWe. (Furchtbar! Weder Champagner noch Austern werden je ihren Weg durch meine Kehle finden). Auf die simple Frage »Was gibt’s denn so Neues?« schoss es aus ihr heraus wie das Wasser aus einem Hochdruckfeuerwehrschlauch. »Ich habe da so einen Kerl kennen gelernt, den Ludwig, Frauenarzt. Der beste Single-Mann in der Stadt. Gut aussehend. Charmant. Und der wollte mich!«
Wenn ich ein Gebiss hätte, läge es jetzt in meinem stillen Wasser. Ich konnte es nicht fassen. »Dein Frauenarzt hat sich in dich verknallt?« »Nein, er ist nicht mein Frauenarzt, und ich bin auch nicht seine Patientin. Wir haben uns bei meinem Friseur kennen gelernt.«
»Oha, natürlich, beim Friseur.« Ich dachte doch über ein Gläschen Schampus nach, die Geschichte schien gut zu werden. Sabrina, die ziemlich genau wusste, dass Katharina nicht wirklich ein glückliches Händchen für Männer hatte, bestellte. Für uns alle drei. Was die Zunge von Katharina noch etwas geschmeidiger machte. »Wir haben uns kennen gelernt, er hat jeden Tag zehn Mal angerufen, Blumen
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