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90 Tage auf Bewaehrung

Titel: 90 Tage auf Bewaehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Fisher
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große Fragezeichen zwischen uns: Was machen an einem grauen Sonntag, wenn alle Geschäfte zu haben, im Zoo kein Nachwuchs wartet, der Botanische Garten im Regenwasser versinkt und wir jeden Kinovorführer in Berlin schon mit Vornamen kennen. Kein Hunger, kein Plan, kein Antrieb, keine Lust. Langeweile.
    LANGEWEILE! Nein, jetzt hatte es also auch uns getroffen. Bedeutete das vielleicht den Anfang vom Ende unserer Beziehung?
    Am einfachsten wäre jetzt natürlich die Wahrheit. Liebster, ist dir auch so langweilig? Lass uns nach Hause fahren, ich könnte mich mit Ronja treffen, und vielleicht hast du ja auch eine Idee... Aber sooo einfach ist das auch nicht, wenn
ein Paar zum ersten Mal dieses Gefühl erlebt. Ein Gefühl, das sich doch erst nach 25 Ehejahren einstellen sollte! Lachen Sie jetzt nicht, aber genau so soll es doch bitte, bitte sein. Jetzt saßen wir also in diesem Café und ödeten uns an. Erschwerend kam meine Weibchen-Meise hinzu: Ich will, dass der Kerl an meiner Seite Ideen hat, und zwar einen A-, B- und C-Plan, um mich zu bespielen! Aber... in diesem Moment kam nichts. Gar nichts.
    Langeweile kannte Sabrina auch: Bei ihr kam meist genauso wenig von ihrem amtierenden Herzprinzen, also organisierte sie kurz entschlossen selber ihr Spaßprogramm für einen dieser langweiligen, toten Sonntage. Und es war ein anstrengendes Programm: Der Nachmittag startete mit einem Essen im Dunkelrestaurant - ein Erlebnis der Sinne in völliger Finsterniss. Ausnahmsweise isst das Auge nicht mit - man muss sich auf seinen Tast-, Geruchs- und Geschmackssinn verlassen. Fummeln erlaubt. Nach dem Essen Kino. Nicht nur einen Film gucken, sondern Sabrina bestand auf Sex zwischen Reihe sieben und acht. Anschließend, da die Aufsicht die beiden nicht erwischte, tanzten sie im angesagtesten Nachtclub. Danach noch ein zweites Nümmerchen auf der Herrentoilette, zum Abschluss Champagner bis zum Abwinken, und die Restnacht verbrachten die beiden in einem Nobelhotel. Fünf Sterne. Keine Ahnung, ob sie da noch einmal Sex hatten. Wahrscheinlich aber doch, in der suite-eigenen Sauna.
    Dieser Abend war in den folgenden Monaten Gegenstand zahlreicher Mädelsrunden - immer und immer wieder beschrieb Sabrina diese rauschende, unglaubliche, sensationelle, einmalige, ganz besondere, nie zu toppende »Anti-Langeweile-Nacht«. Wow! Wir waren verblüfft - nicht nur über ihre Phantasie, sondern auch seine Bereitschaft, das Programm
durchzuziehen. Eigentlich ist der Galan von Sabrina ein ziemlich durchschnittlicher bis langweiliger Vertreter seiner Art. Und genau das war der Grund für ihre Turbo-Event-Planung. Bloß keine Langeweile am Wochenende.
    Langeweile hatten die beiden schon genug, und mit Langeweile kann man auch keine schönen Geschichten erzählen. Denn was ist schon so aufregend daran, gemeinsam 48 Stunden auf der Couch zu liegen, zwischen Playstation und Scrabble, Pizza und Pudding, Fernsehen und DVD-Gucken einfach mal nichts zu tun? Findet jedenfalls Sabrina.
    Monate später, nach einem gemeinsamen Essen, bei dem sie wieder mal auftrumpfte, wie sensationell doch dieses Wochenende war, eigentlich mehr eine WM-Eröffnungsfeier, geplant von André Heller und Beate Uhses Erben, platzte es aus ihrem Freund heraus. »Wenn ich ehrlich sein darf, ich wäre gerne mit dir zu Hause geblieben, hätte dich verwöhnt, dir was Schönes gekocht, deine Füße massiert und sogar für dich deinen Lieblingsfilm ›Grüne Tomaten‹ ausgeliehen. Dieses ganze blöde Action-Programm, nur für die Galerie. Nichts davon konnte ich genießen. Wer will schon Sex nach Zeitplan? Du befürchtest, ich alleine reiche dir nicht, und deshalb brauchst du zum Erzählen jede Menge Kicks. Echt bescheuert.«
    Die Stille danach war sehr laut. Wir waren alle peinlich berührt, Sabrina am meisten. Sie fühlte sich ertappt - das alles, um bloß keinen Alltag zuzulassen.
    Mein Liebster und ich gingen also an diesem verregneten Sonntag vom Café zu ihm nach Hause. Er schmiss sich auf die Couch und machte den Fernseher an. Irgendwelche blöden Gerichtshows liefen da, und er ließ sich berieseln. Ich saß wie bestellt und nicht abgeholt daneben. Irgendwie war ich ja auch nur zu Besuch. Zu Hause hätte ich nie Langeweile
gehabt - irgendwas ist ja immer. Maske ins Gesicht, Steuern machen, E-Mails checken, aufräumen, bügeln, in den Kühlschrank starren und telefonieren. Stundenlang.
    Wie geht so was? Gemeinsamer Alltag in einem Leben. Nicht abgelenkt von Hektik, Arbeit und

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