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900 Großmütter Band 1

900 Großmütter Band 1

Titel: 900 Großmütter Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. A. Hrsg Lafferty
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anderen eine Notwendigkeit; es gibt ohne diese Sprachen einfach nicht genug Buchstaben im Alphabet der Definitionen. Es ist ebenso schwierig, eine Konzeption zu taufen wie ein Kind, und wir zermartern uns dabei genauso das Gehirn wie irgendeine junge Mutter. Es hat keinen Sinn, zwei Kinder oder zwei Konzeptionen beim gleichen Namen zu nennen.«
    »Danke sehr. Ich bezweifle, daß es eine Illusion ist, und ganz gewiß ist sie nicht von euphorischen Gefühlen begleitet.«
    Anthony hatte seine Gründe, diese vier Experten zu befragen, denn (und das war etwas ganz Neues für ihn) er kannte alle Menschen. Er kannte jeden in Salt Lake City, wo er nie gewesen war. Er kannte jeden Menschen in Dschebel Shah, wo die Stadt wie ein kleines Amphitheater um den Hafen emporsteigt, und in Batanga und in Weihei. Er kannte die Herumlungerer an der Galata-Brücke in Istanbul, und die Lastträger in Kuala Lumpur. Er kannte die Tabakhändler von Plovdiv und die portugiesischen Korkschneider. Er kannte die Dockarbeiter von Djibuti und die Handschuhmacher von Prag. Er kannte die Gemüsebauern in der Gegend von El Centro und die Moschusrattenfänger an der Bucht von Barataria. Er kannte die drei Milliarden auf der Erde bei Namen und Angesicht, und alle waren ihm bis zu einem gewissen Grade vertraut.
    »Ich bin bei alledem kein intelligenter Mensch. Man hat mich einen Patzer genannt. Und in meiner Dienststelle, im Zentral-Filter, hat man mich schon dreimal versetzt. Ich habe nur ein paar Tausend von diesen drei Milliarden gesehen, und es kommt mir höchst ungewöhnlich vor, daß ich sie plötzlich alle kenne. Es mag ja eine Illusion sein, wie Dr. Shirm sagt, aber dann ist es eine äußerst detaillierte Illusion, und von Euphorie ist keineswegs die Rede. Ich komme mir wie in der Grünen Hölle vor, wenn ich bloß daran denke.«
    Er kannte die Viehhändler von Letterkenny Donegal, die Zuckerrohrschneider von Oriente und die Baumkletterer von Milne Bay. Er kannte die Menschen, die in jeder Minute sterben, und auch die, die geboren werden.
    »Da ist einfach nichts zu machen. Ich kenne jeden Menschen auf der Welt. Es ist unmöglich, aber es ist so. Und wozu das? Keine Handvoll ist darunter, von denen ich mir auch nur einen Dollar pumpen könnte, und ich habe nicht einen einzigen wirklichen Freund in dem ganzen Haufen. Ich weiß nicht mal, ob es mich ganz plötzlich überkommen hat, aber ich habe es jedenfalls ganz unvermittelt gemerkt. Mein Vater war Schrotthändler in Wichita, und meine Erziehung ist ziemlich sporadisch gewesen. Ich bin unausgeglichen, introvertiert, untüchtig und unglücklich, und obendrein sind auch noch meine Gedärme nicht in Ordnung. Warum wird ausgerechnet mir eine solche Macht zuteil?«
    Die Kinder auf der Straße machten Buh, wenn er vorbeiging. Anthony hatte stets einen gesunden Haß auf Kinder und Hunde, diese zwiefache Plage der Unglücklichen und Unangepaßten, empfunden. Beide kommen in Rudeln vor, und beide sind feige im Angriff. Wenn einer von ihnen eine schwache Stelle entdeckt hat, läßt er sie nie mehr fahren. Weil Anthonys Vater Schrotthändler gewesen war, brauchten sie doch schließlich nicht Buh auf ihn zu machen. Und wieso wußten das die Kinder überhaupt? Besaßen sie einen Bruchteil jener Kraft, die ihm jüngst zuteil geworden war?
    Aber er war schon zu lange in der Stadt herumgeschlendert. Er müßte schon längst wieder bei seiner Arbeit im Zentral-Filter sein. Dort waren sie oft ungeduldig mit ihm, wenn er von der Arbeit wegblieb; und Oberst Peter Cooper wartete schon auf ihn, als er zurückkam.
    »Wo waren Sie, Anthony?«
    »Spazieren. Ich habe mit vier Leuten gesprochen. Ich habe aber nichts erwähnt, was mit dem Zentral-Filter zusammenhängt.«
    »Alles hängt mit dem Zentral-Filter zusammen. Und Sie wissen ganz genau, daß unsere Arbeit hier geheim ist.«
    »Ja, Sir, aber ich verstehe die Bedeutung meiner Arbeit nicht. Ich kann doch keine Informationen weitergeben, die ich selbst nicht besitze.«
    »Das ist ein weitverbreitetes Mißverständnis. Es gibt andere, die die Bedeutung Ihrer Arbeit verstehen und imstande sein mögen, aus dem, was Sie erzählen, etwas zu rekonstruieren. Wie fühlen Sie sich?«
    »Nervös, krank – meine Zunge ist belegt, und mein Darm …«
    »Ah ja, am Nachmittag kommt jemand und bringt Ihre Gedärme in Ordnung. Ich habe das nicht vergessen. Haben Sie mir was zu sagen?«
    »Nein, Sir.«
    Oberst Cooper hatte die Manier, seinen Mitarbeitern diese Frage so zu stellen,

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