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900 Großmütter Band 1

900 Großmütter Band 1

Titel: 900 Großmütter Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. A. Hrsg Lafferty
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als sei er eine Mutter, die ihr Kind fragt, ob es auf die Toilette muß. Sein Ton hatte etwas Peinliches.
    Ja – er hätte schon etwas zu sagen, aber er wußte nicht, wie er es formulieren sollte. Er wollte dem Oberst sagen, daß ihm neuerdings die Macht zuteil geworden sei, alle Menschen auf der Welt zu kennen, und daß er sich Sorgen mache, wie so viel in seinem Kopf Platz finden könne, der keineswegs seiner Fähigkeiten halber bemerkenswert sei. Aber er fürchtete Lächerlichkeit mehr als irgend etwas anderes, und er war ohnehin ein einziger Knäuel von Ängsten.
    Doch da kam ihm der Gedanke, es wenigstens mal ein bißchen bei seinen Kollegen zu versuchen.
    »Ich kenne einen Mann namens Walter Wallory in Galvestone«, sagte er zu Adrian. »Er trinkt sein Bier in der Gizmo-Bar und ist Rentner.«
    »Was ist der Superlativ von ›na und‹?«
    »Aber ich bin nie dort gewesen«, sagte Anthony.
    »Und ich bin nie in Kalamazoo gewesen.«
    »In Kalamazoo kenne ich ein Mädchen. Ihr Name ist Greta Harandash. Sie ist heute zu Hause geblieben, weil sie erkältet ist. Sie ist häufig erkältet.«
    Jedoch Adrian war ein ebenso uninteressierter wie uninteressanter Mensch.
    »Na schön, ich werde eine Weile damit leben«, sagte sich Anthony. »Oder ich muß vielleicht zum Doktor gehen und sehen, ob er mir irgend etwas geben kann, damit alle diese Menschen aus meinem Kopf weggehen. Aber wenn er denkt, daß meine Geschichte sehr sonderbar ist, dann meldet er mich vielleicht beim Zentral-Filter, und ich werde wieder degradiert. Degradiert werden macht mich nervös.«
    Also lebte er noch ein bißchen damit, den Rest des Tages, und die Nacht durch. Eigentlich hätte er sich besser fühlen müssen. Am Nachmittag war ein Mann gekommen und hatte seinen Darm in Ordnung gebracht, aber seine nervöse Spannung konnte keiner in Ordnung bringen. Und seine Verwirrtheit steigerte sich noch, als morgens auf dem Wege zur Arbeit die Kinder hinter ihm her buhten. Dieser ekelhafte Spitzname! Aber wie konnten sie wissen, daß sein Vater Altmetallhändler in einer weitentfernten Stadt gewesen war?
    Er mußte sich irgendwem anvertrauen.
    Er sprach mit Wellington, der im gleichen Raum arbeitete.
    »Ich kenne ein Mädchen in Beirut; sie geht grade zu Bett. Dort ist jetzt Abend, weißt du?«
    »So? Warum bringen denn die Leute da ihre Zeit nicht in Ordnung? Gestern abend habe ich übrigens ein Mädel kennengelernt, die ist so scharf wie ein Korrelationschlüssel und auch so ähnlich gebaut. Sie weiß noch nicht, daß ich im Zentral-Filter arbeite und gesperrt bin. Soll sie’s doch selber rausfinden!«
    Es hatte keinen Zweck, Wellington etwas zu erzählen. Er hörte nie zu. Und dann wurde Anthony zu Oberst Cooper befohlen, was jedesmal seine nervöse Spannung noch verstärkte.
    »Anthony«, sagte der Oberst, »ich möchte wissen, ob Sie irgend etwas Ungewöhnliches bemerkt haben. Das ist nämlich Ihre eigentliche Aufgabe: Ungewöhnliches zu melden. Das andere, der Papierkram, ist nur, damit Ihre faulen Hände was zu tun haben. Also sagen Sie mir klar und deutlich, ob Ihnen irgend etwas Ungewöhnliches aufgefallen ist.«
    »Jawohl, Sir!« Und dann sprudelte er heraus: »Ich kenne jeden. Ich kenne alle Menschen auf der Welt. Ich kenne alle die Milliarden, jeden einzelnen persönlich. Das hat mich ganz krank gemacht.«
    »Ja, ja, Anthony. Aber sagen Sie, haben Sie irgend etwas Außergewöhnliches bemerkt? Es ist Ihre Pflicht, mir zu sagen, wenn das der Fall ist.«
    »Aber ich habe es Ihnen doch eben gesagt! In gewisser Weise kenne ich jeden Menschen auf der Welt. Ich kenne die Leute in Transvaal, ich kenne die Leute in Guatemala. Ich kenne einfach alle.«
    »Ja, ja, Anthony. Wir nehmen das zur Kenntnis. Und es ist sicher nicht so leicht, sich daran zu gewöhnen. Aber das meine ich nicht. Haben Sie, außer dieser Geschichte, die Sie persönlich für abwegig zu halten scheinen, nicht irgend etwas Ungewöhnliches bemerkt, irgend etwas, das nicht in Ordnung ist, was irgendwie nicht ganz stimmt?«
    »Ach – außer dem, was ich Ihnen eben sagte, und Ihrer Reaktion darauf – nein, Sir.«
    »Gut, Anthony. Aber denken Sie daran: wenn Sie irgendwie auf etwas Merkwürdiges stoßen, dann kommen Sie sofort zu mir und melden das. Haben Sie verstanden?«
    »Jawohl, Sir.«
    Aber er konnte nicht umhin, darüber nachzugrübeln, was der Oberst wohl als ›ein bißchen merkwürdig‹ bezeichnen würde.
    Anthony verließ das Zentrum und ging spazieren. Das hätte er nicht

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