900 Großmütter Band 2
eine Blindzeile?« fragte Epikristes.
»Ich folge deinem Gedankengang, Epikt«, stimmte Glasser zu. »Das könnte ein Hinweis auf irgend etwas sein. Wenn die Idee oder der Name eines bestimmten Subjekts aus allen Nachschlagewerken getilgt wurde, dann müssen in allen Exemplaren der Originalausgabe die anderen Stichworte auf der gleichen Seite etwas aufgepolstert werden, oder man muß ein neues Stichwort einfügen. Diese Füllung kann unter Zeitdruck geschehen und daher etwas unvollkommen geraten sein. Wer weiß also ein Wort, das nicht mehr im Gebrauch ist und zwischen Sik und Sikamlos stehen müßte? Und, wenn wir es kennen, würde uns das weiterhelfen?«
»Item: Warum wird das Junge des Bären im Englischen jetzt ›pup‹ genannt, während es früher unter der Bezeichnung ›cub‹ bekannt gewesen sein mag?« gab Epikt von sich.
»Ich habe nie ein Bärenjunges als ›cub‹ bezeichnen hören«, protestierte Shiplap.
»Epikt ist durch unsere Methode der Auswertung von Auslassungen darauf gestoßen«, erklärte Smirnow. »Vermutlich ist da eine unvollkommene Tilgung geschehen. Ich nehme an, daß ›cub‹ die Verformung eines Wortes ist, das irgendwie aus dem Gedächtnis des Volkes verdrängt wurde. Epikt hat diesen Hinweis aus einer Ballade, welche, glaube ich, vom Hauptstrom der Verdrängung sehr weit entfernt liegt; sonst würde das Wort selbst in entstellter Form nicht überlebt haben.«
»Item: Warum bezeichnet man im Englischen das einfache Insichzurücklaufen eines Seiles mit dem unhandlichen Wort ›coronal‹? Warum wird nicht ein einfacheres Wort gebraucht?« fragte Epikt.
»Hat Epikt in Betracht gezogen, daß Seeleute schon immer gern ausgefallene Bezeichnungen verwendet haben und daß diese von Landbewohnern oftmals übernommen wurden?« fragte Cogsworth.
»Klar – Epikt zieht immer alles in Betracht«, antwortete Smirnow. »Er hat tausende derartige Items, und er glaubt, daß es ihm möglich sein wird, sie in ein System zu bringen.«
»Item: Warum gibt es eine große Lücke in der älteren Jazz-Musik? Es ist, nach den Worten eines gewissen Benny Cis, ›als ob ein großes Stück mit den Wurzeln herausgerissen wurde‹.«
»Smirnow, ich weiß, daß Ihr Computer ungewöhnliche Talente besitzt«, sagte Glasser, »aber wenn er diese Dinge zueinander in Beziehung setzen kann, dann ist er ein Genie der Verknüpfung.«
»Oder ein dickschädeliger Clown«, sagte Smirnow. »Ich weiß, daß er etwas emotionale Entspannung von dem ständigen Streß seiner Arbeit braucht, aber oft genug übertreibt er es mit seinem Humor und seiner Possenhaftigkeit.«
»Item: Warum wird jede Erwähnung der amerindianischen Friedenspfeife vermieden? Nicht eine einzige Erwähnung ist zu finden, grade als ob irgendeine Obszönität damit verbunden wäre. Eine solche ist aber auch nicht zu entdecken.«
»Da hat er ein neues herausgefunden, während wir hier stehen«, sagte Smirnow. »Er hat schon eine ganze Menge beisammen.«
»Item: Warum ist …« fragte Epikt.
»Ach, halt’s Maul und geh wieder an deine Arbeit!« befahl Smirnow seiner Maschine. »Lassen wir ihn bis morgen dran, Kollegen! Vielleicht braut sich bis dahin was zusammen«, sagte Smirnow und entfernte sich mit steifen Schritten.
»Wird ’ne ganz große Sache«, rasselte Epikt noch hervor, als sein Boß draußen war, »Jungens und Mädels, das wird ganz groß.«
Am nächsten Morgen verbanden sie die Dienstbesprechung vor der Maschine mit einer Party für Shiplap. Aloysius Shiplap war es gelungen – zum erstenmal in Zeit und Raum –, linkshändiges Gras zu züchten. Es hieß nicht etwa so, weil es linksdrehend wuchs, sondern weil seine organischen Elemente in ihrem Aufbau rückläufig waren. Linkshändige Mineralien waren schon vor längerer Zeit konstruiert worden, und vielleicht kamen sie sogar in der Natur vor. Linkshändige Bakterien und Schleimpilze waren ebenfalls seit längerem bekannt; aber noch niemandem war etwas so Kompliziertes wie linkshändiges Gras gelungen.
»Der Effekt dieses Grases ist in jeder Beziehung umgekehrt«, erläuterte Shiplap. »Vieh, das dieses Gras weidet, wird an Gewicht verlieren, statt zuzunehmen. Wenn sich jemals ein Markt für wirklich mageres Vieh entwickelt – auf den warte ich.«
Sie vergluckerten zur Feier des Tages eine ganze Menge Tosher-Gin. Tosher-Gin ist der einzige Drink, der sowohl Menschen wie auch ktisthetische Computer besoffen macht. Im Tosher-Gin ist ein Aroma, von dem eine Maschine blau wird. Und
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