911
ziemlich mies, wie der ursprüngliche Besitzer bei der Identifizierung in der BKA-Garage in Wiesbaden feststellen musste. Anfänglich hatte das Bundeskriminalamt den Fotografen sehr genau unter die Lupe genommen. Mit seinen längeren Haarenund dem künstlerischen, wenig bürgerlichen Lebenswandel könnte er in das Schema der Sympathisantenszene gepasst haben. »Ich fröhlich frei mit Jeans, Hosenträgern und Pistolen an der Wand, die ich mir in Portugal gekauft hatte«, erinnert sich Schlegelmilch. Dass die alten Pistolen waffenscheinpflichtig waren, interessierte die hohen BKA-Beamten nicht. Sie wollten alles über den Porsche und den Lebenswandel des Fotografen wissen.
Wie ernst die Lage war, hatte er schon kurz nach der Verhaftung von Andreas Baader realisiert. Damals war er auf dem Weg zum Großen Preis von Belgien, als er direkt hinter Aachen zuerst von einem Polizeiwagen verfolgt und schließlich von drei Polizisten auf der Straße gestoppt wurde, die mit Maschinengewehren auf den Fotografen und seine Freundin zielten. »Sag jetzt bloß nicht Andreas zu mir«, witzelte Schlegelmilch. Oft genug hatte er sie im Spaß »Ulrike« genannt. Das war die hessische Art, mit dem Wahnsinn des RAF-Terrors umzugehen. Nach Durchsicht der Papiere wurden die beiden von den Polizisten durchgewunken. Erst da hat Schlegelmilch geahnt, dass die Festnahme Andreas Baaders in der Nähe eines Porsche mit seinem heißgeliebten Targa S zu tun haben könnte.
Dank Baaders Liebe zum Elfer waren dessen Fahrer im Juni 1972 für ein paar Tage im Zentrum polizeilicher Ermittlungen. Schlegelmilch erinnerte sich, dass auch ein Kollege von der Polizei gestoppt wurde, weil ein Polizeihubschrauber mit Fernglas ein Novoflex-Pistolengriff-Objektiv entdeckt hatte, das von oben an eine Maschinenpistole erinnerte.
Der Elfer war für Schlegelmilch stets ein Traum. Zuvor hatte er einen Volvo, einen Käfer mit 24,5 PS und – am Anfang seiner Autokarriere – einen Zündapp Janus mit 13 PS. Mit diesem viersitzigen Rollermobil, das von einem Einzylinder-Zweitaktmotorangetrieben wurde, fuhr er von Frankfurt aus zu seinem ersten Autorennen nach Monza, »den Gotthard rauf mit 15 Kilometern pro Stunde«, wie er sich erinnert. Seinen ersten Porsche bespricht er mit keinem Geringeren als Ferdinand Piëch selbst. Der ist damals Rennleiter von Porsche bei der Targa Florio, als er den gewandten Fotojournalisten kennenlernt. Nachdem er erzählt hat, dass er sich einen Elfer bestellen will, mahnt ihn Piëch zur Geduld. »›Warten Sie doch noch ein paar Wochen, es kommt jetzt das Auto raus mit einem Faltreserverad und einem deswegen vergrößerten Tank.‹ Das habe ich auch genau so gemacht.« Der Targa mit den 130 PS kostete damals knapp 23.000 Mark. Mit diesem Targa begann eine lebenslange Leidenschaft. Seit 2012 fährt Schlegelmilch seinen elften Elfer. Auch ein Jubiläum.
Andreas Baader wurde der Elfer Schlegelmilchs zum Verhängnis. Vier Monate nach dem Diebstahl, am frühen Morgen des 1. Juni 1972, waren die Fahnder des BKA ziemlich überrascht, als ihnen ein auberginefarbener 911 Targa in der Einbahnstraße laut röhrend entgegenkam, ganz in der Nähe von jenem Ort, wo Baader den Elfer geklaut hatte. Am Steuer saß ein aufgedunsener Mann mit schlecht gefärbten rotblonden Haaren, daneben saß der 1,90 Meter lange Holger Meins und auf einem der beiden Notsitze im Fond kauerte Jan-Carl Raspe. Die zum damaligen Zeitpunkt wichtigen Köpfe der Roten Armee Fraktion waren in dem Zuffenhausener Targa zusammengequetscht. Es hatte etwas Satirisches: Es war wohl auch Baaders Hang zu heroischen Filmszenen geschuldet.
Der Wagen wurde entgegen der Fahrtrichtung geparkt, als sich die drei Terroristen auf den Weg zu jener Garage machten,in der ein noch exotischeres Auto wartete als der 911 S: ein Iso Rivolta, von dem es damals gerade 700 Exemplare weltweit gab. Ein Anwohner hatte beobachtet, dass die drei jungen Männer auch im Frühjahr nur mit Handschuhen die Garage öffneten und schlossen. Er alarmierte die Polizei und die legte sich auf die Wache. Als die 60 Polizisten loslegten, hatten die drei RAF-Mitglieder keine Chance. Baader stand, wie sein Biograph Klaus Stern notiert, mit einer Kippe im Mund, einer Ray Ban auf der Nase, vor dem Iso Rivolta und wartete, wie von dem Schusswechsel aufgeweckte Anwohner beobachteten, darauf, abgeknallt zu werden. In der Nähe jener Objekte der Begierde, die ihm von Kindesbeinen an, zu Straftaten verführten. Nach zwei Stunden
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