911
Supermodel: Es veredelt mit polierten Oberflächen und der Grazie seiner Bewegung eine ziemlich einfältige Geschichte.
Der Designer Thomas Elsner nennt das G-Modell das »Herzschlagmodel«. Wenn er eines sehe oder auch nur höre, »steigt mein Puls, als würde mir eine schöne Frau entgegenkommen«. Obwohl er jahrelang einen Targa aus dieser Zeit gefahren habe, habe er von diesem Auto nicht genug. Andere Elfer-Freunde greifen nach Jahren mit einem 996er oder 997er wieder auf dieses Modell zurück und sind geschockt, wie einfach selbst die 89er-Baujahre noch sind. Ohne Servolenkung, mit einer knüppelharten Kupplung wird das Fahren auch körperlich anspruchsvoll. Die Scheibenwischer stammen – wie viele Knöpfe am Armaturenbrett und der Look und Feel der Belüftung – aus dem Käfer. Bei hohen Geschwindigkeiten macht sich der Heckscheibenwischer los und die Scheibe des Coupés scheint steil in die Höhe zu ragen. Die beiden Scheinwerferrohre ragen kühn in die Luft. Frontscheibe und Dekolleté sorgen für eine beeindruckende Geräuschkulisse und für einen für diese Zeit fast niederschmetternden c w -Wert von 0,4.
Sascha Keilwerth fährt einen 911 SC, Baujahr 1978, dessen Laufleistung bei mittlerweile 675.000 Kilometern liegt. Sein G-Modell hat über 360 PS und ist schon mit 324 Kilometern pro Stunde gelasert worden. Keilwerth hat Kfz-Mechaniker gelernt, wurde dann Diplomingenieur und Diplomkaufmann. Für ihn ist das G-Modell genauso Ur-Elfer wie das F-Modell, wie die Ur-Elfer offiziell heißen. Das sind Autos für diejenigen, »die ihre Cornflakes ohne Milch essen«. Wenn er hört, dass sich jemand ein G-Modell gekauft hat, gratuliert er zum »besten Auto deines Lebens«. Er liebt denSound, wenn er morgens »nach einer Tasse Öl« seinen Luftgekühlten anwirft, die Vibrationen des Motors, die den Rücken wachmassieren. Und wenn das Auto nach dem Ritt ins Büro steht, knackt und knarzt der gesamte Motorblock, weil sich durch die thermische Belastung die Zylinderköpfe im Abkühlen wieder anpassen müssen.
Der Motor des 231 PS starken Carrera erregt auch ein Vierteljahrhundert nach seiner Premiere mit einer harmonischen, drahtigen Leistungscharakteristik Aufsehen. Nach einem muskulösen Durchzug von null auf 200 Kilometer pro Stunde muss in den fünften Gang geschaltet werden, um in Richtung 250 zu schieben. Das G-50-Getriebe arbeitet exzellent und wer ein gut eingefahrenes Modell aus diesen Jahren erwirbt, dem kann es passieren, dass er auf der Autobahn schreien muss vor Glück, so ein wunderbares Fahrgefühl verbreitet dieser letzte, rauhe, wüste, ursprüngliche Elfer. Der Klang dieses Motors verbittet dem Connaisseur das Anstellen des Radios. Es ist der letzte singende Elfer, der Nachfolger 964, ein verglichen damit ungemein modernes Auto, röhrt und faucht.
Oft genug wurde der Elfer weiterentwickelt, nicht weil es ein fundamentales Bedürfnis zur Produktoptimierung gab, sondern weil Porsche auf die rigiden Sicherheitsanforderungen für den für die Sportwagenmanufaktur alles entscheidenden nordamerikanischen Markt reagieren musste. Deswegen werden die filigranen, chromblitzenden Stoßstangen gegen Teleskop-Stoßfänger mit Faltenbälgen getauscht. Der Hintern des Carrera wächst, damit die größer werdenden Boxer-Aggregate Platz finden können, zugleich wirken die wulstigen Stoßfänger dazu besser proportioniert. Die Felgen werden größer, die Reifen breiter. Das Chrom, das automobile Analogon zu Stuck und Parkett, verschwindet. Ausden kommoden Polstersesseln für Fahrer und Beifahrer werden sportliche »Chorstühle«, bei denen die Kopfstützen in die Lehnen integriert werden. Das Kuppeln wird spürbar leichter. »Auto Motor Sport« spricht »von einem mutigen Schritt in die Moderne«.
Wie immer bei Porsche gab es Puristen, die dem Designchef Anatole Lapine das richtige Fingerspitzengefühl für den Sportwagen absprachen. Dabei war Lapine mit seinem Sinn für Eleganz dem Geist von Porsche nahe: Er verachtete »Protziges« und liebte den Luxus. Dass Lapines Entwurf 30 Jahre später als klassische Schönheit gilt, unterstreicht, dass zu diesem Zeitpunkt das Gefühl für die richtige Mischung aus Innovation und Tradition in der Weiterentwicklung des Elfers gefunden war. Das war auch der Präsenz von Ferdinand Alexander Porsche zu verdanken, der im Aufsichtsrat als Lordsiegelbewahrer (»custodian«) der Tradition galt, wie sich Lapine gerne erinnerte.
Lapine hatte, in Riga geboren, bei Daimler
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