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911

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Titel: 911 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Poschardt
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durch die Lkws aus und in Richtung Osteuropa den gesamten Verkehr entschleunigte und verstopfte.
    In der Zeit, als die ersten Elfer die Autobahnen und Innenstädte schmückten, bittet Richard von Frankenberg, dass Porsche-Fahrer ein Vorbild sein sollten für die anderen Kraftfahrer. »Ich meine nicht nur ein Vorbild im (manuellen) Gutfahrenkönnen und Richtigschätzenkönnen, sondern auch in puncto Hilfsbereitschaft, Höflichkeit, Handzeichengeben und so.« Die Begründung allerdings hat etwas unverhohlen Überhebliches. »Denn zehn Sekunden, die wir irgendwo verlieren, können wir dank unserer starken Maschine eher wieder aufholen als andere.« Dannwird die Differenz noch stärker betont, bevor das Schnellfahren zu einer Art besseren Norm verklärt wird. »Gerade wir, die wir einen sportlichen Wagen fahren, sollten den braven, hausbackenen Bürgern zeigen, dass die Schnelligkeit eines Wagens stets gepaart ist mit der Höflichkeit seines Besitzers.« Die Hausbackenen, so leitartikelt Herr von Frankenberg, glauben, dass schnelles Fahren Unruhe in den Verkehr bringe, dabei ist es genau andersrum. »Wo doch die Unruhe im Verkehr in den meisten Fällen dadurch entsteht, dass einer schleicht statt fährt, Kolonnen hinter sich ansammelt und Entschlussfindung treibt: Soll ich, soll ich nicht, rechts oder links, am besten in der Mitte …« Der Sportwagenfahrer, so schlussfolgert er, fährt aufmerksamer und zuvorkommender als der Fahrer »des ›08 / 15‹-Autos«. In einem pathetischen Essay über den Motorsport wird von Frankenberg deutlicher. Sportwagenfahrer sind so erregt von ihrem Fahrzeug, dass ihr Adrenalin die Aufmerksamkeit intensiviert. Viele Unfälle können nicht, wie im Polizeibericht steht, mit überhöhter Geschwindigkeit oder dem zu schnellen Befahren einer Kurve erklärt werden, sondern wurden verursacht durch die in den Sekunden vor dem Unfall mangelnde Konzentration und Aufmerksamkeit: »die zu geringe Hinwendung zum Fahren als dem einzig interessanten Vorgang, wenn man einmal seinen Wagen bestiegen hat  …« So treffend der Grundgedanke von Frankenbergs auch sein mag, so provokant wirkt er für die egalitäre Logik des politisch korrekten Miteinanders im Straßenverkehr. Die Romantisierung des Sportwagenfahrens muss für rationale Verkehrskonzepte wie ein groteskes Erbe des todessehnsüchtigen Futurismus anmuten. Dennoch bleibt dieser (verkehrs) weltanschauliche Glutkern des Schnellfahrens auch beizeitgenössischen Porsche-Fahrern aktuell, ohne die herablassende Note, die als nicht mehr zeitgemäß wahrgenommen wird.
    Für Walter Röhrl, der seit Jahrzehnten für Porsche Autos testet und mitentwickelt, ist diese etwas hochnäsige Einteilung der Welt in Sportwagenfahrer und Anfänger keine Option. Er sieht sportliche Fahrer im Alltag zu besonderer Verantwortung berufen. »Du solltest am besten«, so duzt die Rallyelegende ihre Sportwagenfreunde in einem Standardwerk, »auch noch in den zwei Autos vor Dir und in dem hinter Dir im Geiste mitfahren.« Sportlich nicht im Sinne von »schnell«, sondern im Sinne von »fair«. »Sportlich fahren heißt, bewusst zu fahren, aufmerksam, konzentriert, vorausschauend, aktiv«, empfiehlt Röhrl. Das Auto könne als Sportgerät erlebt werden, aber bloß nicht als Waffe, »die unseren Komplexen gefährliche Macht über uns und andere verleiht«. Udo Lindenberg, ein manischer Elfer-Fahrer, hat seine Sportwagenethik klar umrissen. In der Stadt schleicht er, sehr zum Ärger der nach ihm Fahrenden, weil er »keinem dieser Kätzchen und Igel wehtun, kein Härchen krümmen« will. Auf der Autobahn heizt er, was das Zeug hält: »Da wird gebrettert wie bei ›Enterprise‹ – Scotty, beam me up, und so! Zusammen mit Dr. Valium Tempo 300 mit meiner irdischen Raumkapsel zum Gucken an den Timmendorfer Strand.« In Udos Universum gebe es nur schnell oder langsam, dazwischen sei nichts.
    Der Sportwagenfahrer wird von Motorsportlern als zum Teil enger Verwandter des Rennfahrers verstanden. Daraus leiten sie eine besondere Ethik der Verantwortung ab und eine Vorgabe, was den Stil beim Fahren betrifft. In den Porsche-Clubs wurde diese Prägung ebenso verstärkt wie durchdas Selbstverständnis der Marke, die Sportlichkeit nie mit Aggressivität gleichsetzen wollte. Dies führte dazu, dass die Porsche-Sportwagen anders als die Autos mancher Premiumhersteller auch auf der Autobahn weniger gefürchtet als respektiert waren und sind. Im Idealfall umgab den Porsche auch auf der

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