911
wiederholten Anblick Emotionen aktivieren, die andere Autos nicht provozieren können. Nicht einmal die homogenen Bürgersteige in Hamburg, München, Düsseldorf oder Kampen, die mitunter an den Kundenparkplatz eines Porsche-Centers erinnern, konnten das Besondere des Elfers entkräften. Für Philip J. Rathgen, Autojournalist, Stilexperte und Hanseat, hat der Siegeszug weniger mit dem Ur-Carrera der 80er Jahre zu tun als mit dem spiegeleierigen 996er. Mit dem 997er schließlich sei die Allgegenwart des Elfers in einigen Straßen in Hamburg, vor allem westlich und nördlich der Alster, explosionsartig angewachsen. Mittlerweile gebe es genauso viele Elfer wie Minis und Range Rovers. Dazu gehöre als Hundemarke oft genug der Rhodesian Ridgeback oder ein Weimaraner. Der Schlüssel des Elfers sollte beim In-Italiener stets präsent sein, weil er seit ein paar Jahren die Form des Elfers besitzt. Unheimlich viele kleine, hagere Männer gehörten zu den Kunden, erklärt Rathgen. Und natürlich viele Frauen, alleine in seinem Bekannten- und Freundeskreis gebe es unzählige Frauen, die mit Boutiquen in Uhlenhorst oder mit einer PR-Agentur ihr Understatement auch als Sportwagenkäuferinnen pflegen wollten. Diese Frauen trügen seit 2009 weiße Jeans und Reitstiefel und würden als Beifahrerinnen kleinerer, hagerer Männer schon allein mit ihren ziemlich überdimensionierten Taschen auffallen, die den gesamten Beifahrersitz in Beschlagnehmen würden. Zum Porsche gehöre oft genug der Hermès-Gürtel mit dem »H« und in der Regel auch ein sportliches Modell einer Rolex-Uhr.
Der betonierte Kanon der Eleganz ist Erbe der hansetischen Oberschichtdistinktion und Verlängerung der Popper-Ästhetik gleichermaßen. Diese war Ende der 70er Jahre als Gegendissidenz zum Punk entstanden und versuchte im Etablierten Spuren des Subkulturellen herauszudestillieren. In diesem Sinne wäre der Elfer eine Fortsetzung des Vespa-Rollers mit mehr Mitteln und mehr PS. Die Kanonisierung von Statussymbolen und Eleganzrezepten macht diese für soziale Aufsteiger und Neureiche leicht kopierbar. Durch diese Zugänglichkeit des Looks harmonisiert sich das Straßenbild in Hamburg auf hohem Niveau. Selbstverständlich reizt dies auch zur Rebellion und Gegenwehr, die bis zur Schändung von Elfern reicht, die zerkratzt, verbeult oder gar angezündet werden.
Es ist eher die geschminkte Selfmadefrau als das Trophy-Wife, die in Hamburg seit gut zwei Jahrzehnten im Elfer einen angemessenen Ausdruck ihres Erfolgs sieht, »ohne auf die Kacke zu hauen«, wie es Rathgen ausdrückt. Die Form gefällt den kühlen Frauen: Der Elfer wirke wie der Gott unter den Autos, der von allen angebetet wird, aber sich nicht verehren lassen will. Wichtig ist in Hamburg zudem, dass dieser Sportwagen nie ein Kiez-Auto war, nie in St. Pauli ankam. Zuhältern war dieses Auto zu bieder.
Für die Pfeffersäcke und ihre Geschäftspartner aber war die Solidität des Wagens ein wichtiges Argument. So wie sie sich als ehrbare Kaufleute verstanden und verstehen, war dieser Porsche als Produkt des (um es ein wenig rotariermäßig zu formulieren) »anständigen« deutschen Mittelstandes.Es war, so der Stuttgarter Architekt und Unternehmer Sobek, die für »baden-württembergische Mittelständler typische« Art zu produzieren, die den Porsche geprägt hat. Die hohe soziale Qualität der Porsche-Produkte, die vorbildliche Bezahlung, Ausbildung und Qualifizierung der Mitarbeiter, habe dem Elfer gedient. »Sie ist eine dem Ganzen unterlegte Solidität, welche die Marke unsichtbar stärkt«, so Sobek. Die soziale Qualität des Elfers gibt seiner Schönheit einen idealistischen Drall. Das Gute strebt zum Wahren und Schönen.
Die Stilversessenheit der Hamburger, die nur mehr mit jener in London, Paris oder Mailand verglichen werden kann, hat aus dem Elfer die einzige Konstante im Modeleben der feinen Harvestehuder Dame der Gesellschaft werden lassen. Die Botschaft des Elfers ist ebenso einfach wie hanseatisch: Wenn du Erfolg hast, sollst du das Rezept nicht ändern. Das macht Porsche großartig und danach streben die geschäftstüchtigen Hanseaten. Fast hätten sie, die sonst bis dann ausschließlich von Sozialdemokraten regiert wurden, 1982 mit dem weltläufigen Großbürger Walther Leisler-Kiep einen CDU-Bürgermeister bekommen, der seinen Porsche 911 in Schwarz fuhr. Farblich begann es – wie so vieles in Hamburg – mit Dunkelblau und Schwarz, dann kam Anthrazit und schließlich bei den
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