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911

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Titel: 911 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Poschardt
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Gentleman, der ebenfalls kostümiert ist, als wäre er aus einem Modemagazin gestolpert. Veronique Branquinho war gerade ein Jahr alt, als dieser Film in die Kinos kam.
    Der Porsche als Mode- und Designikone wird auf seinen strengen, fast rigoristischen Modernismus reduziert, der ähnlich wenig historisch fundiert scheint wie das Bild des Bauhauses als Inbegriff der weißen Moderne. So wie die Meisterhäuser in Dessau und viele andere Wohnlandschaften aus der klassischen Moderne zum Teil extrem bunt waren (siehe die Papageiensiedlung in Berlin), war Porsche im Kontext seiner definierten Formen experimentierlustig, wenn es um Stoffe und Farben ging. Für den Chef des Porsche-Archivs, Dieter Landenberger, sind die Hahnentritt-Sitzbezüge des Ur-Elfers »mehr Sixties« als jedes andere Stildetail bei Porsche. Mit grellen und gewagten Farben wie Vipergrün oder Indischrot oder Blutorange bekannte sich Porsche in den späten 60er und frühen 70er Jahren zu einem Zeitgeist, der den grauen Alltag fast programmatisch aus dem deutschen Bürgertum vertreiben wollte. Der Carrera RS wird in Weiß ausgeliefert, aber die Schriftzüge an den Seiten und die Felgen werden in leuchtenden Blau-, Rot- und Grüntönen gesetzt.
    In den Hauptstädten der Eleganz von Hamburg über Mailand bis Paris blieb vom farbigen Teil des Mythos wenighaften. Als Porsche ab 1974 als erster Hersteller Chrom durch Mattschwarz ersetzte, machte dieser Hightech-Reduktionismus schnell Schule und andere Premiumhersteller folgten. Der matte, technische Look passte nicht nur zu den Uhren, Pfeifen und Taschen, die Ferdinand Alexander Porsche für sein Label Porsche-Design entwarf, sondern auch zu jener Distinktionspraxis der deutschen und europäischen Oberschicht, die es aus Angst vor Sozialneid gerne etwas zurückhaltend pflegte. Während bei den Oldtimern die grellen Elfer-Farben heute besonders gesucht sind, folgt die Mehrzahl der Porsche-Kunden für ihre »daily drivers« einem überschaubaren Kanon von Lackierungen. Auch wenn Porsche mit seinem Sonderwunschprogramm neben vielen Serienauswahlmöglichkeiten dem Kunden alle Freiheiten ließ, blieb der Mainstream der Elfer-Kunden der Konvention verpflichtet.

Das Auto der Ferkel
Vol. II
    Daniel Deserno ist ein Unsympath, wie er im Buche steht. Der Investmentbanker tritt nicht nur hauptberuflich als verantwortungsloser Hasardeur an den Finanzmärkten auf, sondern treibt es bunt mit jeder Menge bevorzugt schlanker Frauen und seinen leidenschaftlich verehrten Porsches. Wie in jeder Moritat geht Bodo Kirchhoff auch in dem Roman »Erinnerung an meinen Porsche« fundamentalistisch zu Werke. Wie seinerzeit bei Heinrich Böll bleibt die Rache am Schurken nicht aus. Der Frauenheld wird mithilfe eines Alessi-Korkenziehers kastriert. Zudem verliert er das Gefühl in seinen Beinen. Er kann weder gehen, noch penetrieren, noch Porsche fahren. Wobei der Porsche, ergänzt um das GT, auch synonym für das einst funktionierende Geschlechtsteil (GT) verwendet wird.
    »Porsche war und ist das Größte«, erzählt Kirchhoff. »Wenn die Schöpfung, außer bei denen, die ohne Dopingdie Tour de France gewinnen, noch irgendwo Triumphe feiert, dann bei diesen Autos.« Dieses Zitat aus dem ersten Viertel des Romans verortet den Porsche sogleich an der unsympathischen Spitze des Sozialdarwinismus. Der Held schwärmt von seinen Turbos. Der neuere mit zwei Ladeluftkühlern mache ein Geräusch »wie das Fauchen einer Frau, der es kommt, obwohl sie noch wütend auf einen ist«. Porsche fahren ist für den Sexisten, der anders als Hank Moody nahezu ohne Charme auskommt, Teil des Vorspiels oder mitunter die ideale Masturbation. Gleich bei der Jungfern(sic!)fahrt des Turbocabrios hatte der Ich-Erzähler »die verchromte Schaltknüppelkuppe durch ein rotes Geschenkband, das noch von Weihnachten übrig war, straff mit meinem persönlichen Porsche verbunden, um jeden Schaltvorgang auch wirklich mitzuempfinden, und beim Rauf- und Runterknüppeln auf einer Strecke im Hintertaunus gelang sogar das Kommen in voller Fahrt.«
    Mit dieser wüsten Fantasie untergräbt Kirchhoff das durchaus populäre Vorurteil vom impotenten, kleinen Mann, der sich einen Porsche zur Kompensation hält, doch gleichzeitig schildert er den kopulierenden Erotomanen im Porsche derart scheußlich, dass man die friedliebende Trieblosigkeit des Impotenten fast vermissen sollte. Für den 39-jährigen Banker wird der Porsche zu einem Telegramm an die Außenwelt, in dem er ihr

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