911
unzähligen Werbern dann das obligatorische, vermeintlich moderne Weiß und die Mattlackierungen, gerne auch in Militärgrün. Mit dem Auslaufen der 997-Modelle haben sich die Braunmetallic-Lackierungen als neues Schwarz im Geschmacksuniversum etabliert.
Äußerlich folgte Udo Lindenberg dem hanseatischen Hang zum schwarz-schwarzen Elfer, aber er tat es, wie alles, was er tat, mit anarchischer Poesie. Als Herold des Unkonventionellenwie Populären hatte der seit 1968 in Hamburg lebende Rockmusiker und Künstler seine Liebe zum Porsche 911 früh entwickelt. Von der ersten großen Gage für den Hit »Andrea Doria« kaufte er sich 1973 seinen ersten »kackbraunen« Elfer. Damit holte er seine Mutter Hermine ab und das Foto zeigt einen stolzen Mann mit langen Haaren und Geheimratsecken und eine noch stolzere Mutter mit Halstuch und Föhnfrisur, die sich beim Einsteigen an der A-Säule festhält. 40 Jahre später ist dieser Sportwagen noch immer sein »schnelles Rennauto, Formel 1, Raumkapsel, Udonaut«. In einer schönen Geschichte in dem liebevollen »Porsche Klassik«-Magazin erzählt Lindenberg von seiner Porsche-Panik-Familie, seinen »Black Panthers«, dem Panamera, dem Cayenne, den Elfern, mit und ohne Turbo, vom G-Modell bis zum aktuellen 991er – alle in Schwarz. »Sieht lecker aus, das Auge hört mit«, erzählt er, wenn er den Motor eines G-Modell-Turbos anwirft.
Die Modeikone
In jener Zeit, als der 997er die Hansestadt zum großstädtischen Elfer-Treff macht, stellt die junge belgische Designerin Veronique Branquinho 2008 im MoMu, dem Modemuseum in Antwerpen, neben einer Werkschau ihrer Kollektionen auch ihren alten Ur-Elfer aus, den sie komplett mit englischem Tweed in Salz-und-Pfeffer-Farben bespannt hat. Der Stoffbezug erinnert an jenen Filz, den Joseph Beuys einst benutzte, um Objekten einen melancholischen Ernst und eine metaphysisch zu verstehende Speicherkapazität für Wärme zu geben. Branquinho machte den Elfer schwerer und rätselhafter und gleichzeitig eleganter und weiblicher. Mit jener für die Modeschule von Antwerpen typischen protestantischen Strenge überhöhte sie das minimalistische Karosseriedesign. Ende der 90er Jahre schuf Branquinho für die Frauenmode, was Helmut Lang für die Männermode gelungen war: eine zeitgemäße Interpretationvergleichsweise geordneter Rollenbilder. Die Frau in den Schauen von Branquinho war selbstbestimmt, stolz und einer raffinierten Schönheitskonzeption erlegen. Den kreativen Eliten, die Branquinho trugen, gefiel der Twist im Twist. Alles sollte einfach aussehen, aber bei genauerem Hinsehen nicht einfach sein. Der Elfer in Tweed, innen wie außen, deutete liebevoll dessen Perfektionsbemühungen aus. Durch den einfarbigen Stoff wirkte das Strenge noch strenger und konzeptioneller. Um diesen Porsche aber nicht vollkommen zur Statue zu entschleunigen, projizierte die Modemacherin an die Wand hinter der Elfer-Installation das nihilistische Roadmovie »Vanishing Point«. In einem Magazinprojekt, das der Ausstellung ein Jahr vorausging, kuratierte die Designerin mit einer ungewöhnlichen Autoexpertise die Kulturgeschichte ihrer Lieblingsfahrzeuge, darunter alle Baureihen des Manta, Steve McQueens Mustang aus »Bullit« und Exoten wie das Bitter Coupé und den Citroën SM. Eyecatcher war ein Porsche 911 G-Modell in Schwarz mit schwarzen Fuchsfelgen, allerdings mit den bei Sammlern umstrittenen Heckscheibenwischern. Auf der Doppelseite davor präsentierte Branquinho ihre liebsten Plattencover, die ähnlich einflussreich zu sein schienen wie die ihr eigenen Autovorlieben. Porträtiert als »Queen of the Road« in einem Pelzmantel sitzt die urbane, autonome Frau in einem Porsche 911, von dem nicht mehr als die schwarze Lederverkleidung der Fahrertür zu sehen ist. Dass sie schwarz ist, erscheint zwangsläufig. Das Foto erinnert stark an eine Szene aus der englisch-französischen Koproduktion »The Marseille Contract« aus dem Jahr 1974, in dem die bildschöne Tochter eines Clanchefs in einem gelben 911 S Targa eine Verfolgungsjagd mit einem Alfa Montreal liefert, die in dem lausigen Actionfilm zu einem erotischen Ballettumchoreographiert wurde. Das Heckschleudrige des Ur-Elfers wird zu einem Fruchtbarkeitstanz stilisiert, den die kühle Heldin mit der großen, dunklen Sonnenbrille, der schwarzen Lederjacke und den dunklen Lederhandschuhen nahezu regungslos darbietet. Die emanzipierte Frau gewinnt das Rennen und applaudiert dem als Zweiten ins Ziel kommenden
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