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911

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Titel: 911 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Poschardt
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ihren Freundeskreis nach denjenigen, die derartig absurde Gefühle für einen teuren Haufen Blech und Hightech nachvollziehen können, und den Übrigen, denen sie mit Selbstironie und Rollendistanz zu ihrer Sportwagenliebe begegnen. Verraten werden sie ihren Elfer jedoch nicht, solange er diese Gefühle auslösen kann. Dies gilt im besonderen Maße bei der Suche nach einem neuen Modell.
    Diese reaktiviert die Ursehnsucht und die Erfahrung der ersten Suche, ohne deren Aufgeregtheit gänzlich wiederbringen zu können. Mit jedem weiteren Elfer wachsen die Routine und die Vernunft des Prozesses. Der Moment des Verliebens bleibt, auch weil der Porsche, selbst als gebrauchter Sportwagen, ein teures Vergnügen ist. Wirklich reiche Menschen können nur bedingt das Glück empfinden, wennein Porsche, mit Entbehrungen erspart, die Erfüllung eines überlebensgroßen Traums von sich selbst sein kann. Der Porsche ist für den Emporkömmling, den Aufsteiger und Strebsamen Motivation wie Symbol der Ankunft in jener Welt, die er seit seinen frühesten Kindertagen ganz naiv als eine glückliche und schöne imaginiert hat. Eine, die anders als die karge Welt der Eltern mit Spaß und Freude und Frechheit der Überschreitung zu tun hat – und nicht mit jener Strebsamkeit, die in der Anpassung den Charakter der Menschen deformiert, anstatt diesen freizusetzen.
    Das erste Mal ist unwiederholbar und doch gibt es, wenn man genau in sich hineinfühlt, jedes Mal ein anderes erstes Mal. Udo Lindenberg hat den Eros der Jungfernfahrt für sich konserviert, seit 40 Jahren. »Jedes Mal steigst du ein, als wäre es das erste Mal, ist wie auf einer Bühne. Und jedes Mal hebst du wieder ab, wie im Scheinwerferlicht der Tourneen. Eine Freude, ein Kick, den du von der ersten Begegnung an immer wieder neu und einzigartig erlebst.«
    Ferrari ist eine Geliebte, der Elfer ist wie eine Ehefrau, volksweisheitet der Porsche-Fahrer. Die Idee der ewigen Treue unterstützt durch die lange Produktionszeit des Elfers auch Monogamiekonzepte seiner Nutzer. Im Jahr 2013 feiert der Elfer damit auch eine Art goldene Hochzeit mit seinen reifsten Kunden. Die erotische Fantasie, dass das erste Mal in seiner jungfräulichen Aufgeregtheit zwar nicht konserviert, aber über Jahre und Jahrzehnte auf magische Art am Leben gehalten werden kann, untermauert das Fundament der Schwärmerei mit der produktnahen Solidität. In der Schnelllebigkeit der Moderne und der Bindungslosigkeit des »anything goes« ist der Treueschwur als Konsequenz eines erfüllenden ersten Mals die Ausnahme, nicht die Regel. So können die weiteren Fahrten jeweils emotionalan die Referenz-Erregung angekoppelt werden. Ein wenig narzisstischer formuliert setzt die Treue zum Elfer im Kontinuum von der Liebe auf den ersten Blick bis zum gemeinsamen Glück im hohen Alter auch ein hohes Maß an Selbsttreue voraus. Die Besitzer-Ebenbildlichkeit des Elfers verschränkt die Permanenz des Objektes und dessen Verführungskraft mit der Permanenz des erotischen Wollens und des Verführtseinwollens. Deswegen ist dieses Buch, für manch PS-ferne Leser, wohl auch ein kaum nachzuvollziehender Liebesdienst. Es ist die Kulturgeschichte einer Romanze.

Die Skulptur
    Es läuft etwas schief, dachte sich Erwin Wurm, als er mit seinem neuen 997 Turbo in Wien an der Ampel stand. Direkt neben ihm hielt ein weißer Turbo, genauso neu wie seiner, und darin saß ein »Prologrill«, ein gebräunter Mann mit dicker Goldkette. »Mein Gott, was für ein hässliches Auto«, entfuhr es dem weltberühmten Künstler, bevor er merkte, dass er, lediglich dezenter lackiert, in dem gleichen Fahrzeug saß. Er fuhr auf der Stelle nach Hause und rief den Porsche-Händler an, um ihm mitzuteilen, dass er den Turbo wieder abgeben werde. Stattdessen kaufte er sich ein 997 4S Cabrio. 2011 hat er es verkauft und fährt seither, wenn es schnell gehen soll, einen Aston Martin und, wenn es sicher sein soll, einen Range Rover. »Ich bin irgendwie bei den Engländern gelandet, keine Ahnung, wie das passieren konnte. Eine Laune!« Wurm denkt ein wenig nach. »Wahrscheinlich hatte ich im Elfer irgendwann das Gefühl,mit einem Zahnarzt aus Düsseldorf verwechselt zu werden.« Erwin Wurm hat die vielleicht aufregendste und substantiellste künstlerische Intervention in Sachen Elfer betrieben: ein Fat Car. Schon als kleiner Junge hat ihn der Elfer fasziniert. »Damals«, so erinnert sich der 1954 geborene Künstler, »hat es ganz wenige Porsches gegeben. Heute ist

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