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nicht so gemeint. Ist bloß so: Du kannst nichts machen. Außer darüberstehen und so tun, als berühre es dich nicht. Dann hören sie auf.«
Pia richtete sich auf Njala jetzt zu voller Größe auf. »Das kann ich nicht, Jana. Und das würdest du auch nicht tun. Gnade dem, der das getan hat, dem reiße ich jedes Haar einzeln aus.«
»Dann hat Sören ab morgen Glatze«, grinste Jana. Sie trabte an.
Sie ritten zunächst auf den Deich zu, nahmen denselben Weg wie sonst. Njala erhob den Kopf, sog die salzige Luft tief ein und wieherte. Hin und wieder tänzelte sie etwas, aber wenn Pia auf sie einsprach, beruhigte sie sich immer ganz schnell wieder. Gemächlich ritten sie den Feldweg entlang.
Als sie an der Deichschäferei vorbeikamen, hatten schon einige Schafe gelammt. Mit wackeligen Beinchen stolperten die Kleinen hinter der Mutter her und versuchten im Laufen die Zitzen zu erhaschen. Die beiden Mädchen hielten an und schauten eine Weile den Mutterschafen und den Lämmern zu.
»Njala sollte auch mal fohlen«, meinte Jana. »Norwegerfohlen sind so süß!«
»Was du alles für Ideen hast!«, sagte Pia. »Ich bin erst einmal froh, sie heute das erste Mal im Gelände reiten zu dürfen!«
»Stimmt, das hat jetzt was. Aber wir werden noch andere Dinge tun. Distanzreiten, Kutsche fahren … Wir werden im Sommer neben der Weide zelten und dann einen Sonnenaufgangsritt machen. Wir reiten im Dunkeln los, erzählen uns grässliche Gruselgeschichten und wenn die Sonne aufgeht und wir völlig ergriffen sind, beichten wir, in wen wir uns verknallt haben. Sören ausgenommen. Der Idiot ist tabu!«
Pia lachte. Für all diese Dinge brauchte Jana eigentlich nicht unbedingt einen Sonnenaufgangsritt.
»Wollen wir mal antraben?«, schlug Jana dann vor.
Pia nickte. Njala ging mit ausgreifendem Trab vorwärts. Sie scheute auch nicht, als eine Tüte vom Wind erfasst wurde und ihr vor die Füße wehte.
»Sie scheint wieder ganz die Alte zu sein, ist das nicht klasse?«, rief Jana und galoppierte an. Njala zog mit und zum ersten Mal erahnte Pia, welche Kraft in der Stute steckte. Trotz ihrer eher derben Rasse galoppierte sie leichtfüßig und elegant. Pia legte ihre Hand auf den Widerrist und spürte so die Bewegungen. Njala schien wieder mit sich eins zu sein.
Sie zügelten die Ponys und ritten geruhsam weiter. Die Mädchen bogen auf eine kleine asphaltierte Straße und Pia sah mit Entsetzen eine Gruppe Boßler auf sich zukommen.
»Jetzt bleib bloß cool, sonst merkt Njala, dass du Angst hast und dann ist Asche«, sagte Jana.
Pia nickte. Njala hatte gestern auch nicht auf den Ball reagiert und war die ganze Zeit völlig ausgeglichen. Es gab keinen Grund zur Aufregung. Die Boßler warteten, bis die Mädchen vorbeigeritten waren. »Moin, moin! Dann fallt man nich van ’ t Peerd!«
»Wir bleiben schon drauf sitzen!«, rief Pia.
»Nee, wi wullt ja noch wat wieder, dor brukst du di keen Kopp üm maken, wi sitt ja nich to ’ n eerstn Maal up ’ t Peerd«, konterte Jana . Die Boßler lachten und zogen dann weiter.
»Siehste, Njala war ganz ruhig. Das ist jetzt okay mit ihr«, sagte Jana und Pia atmete auf. »Was hast du denen denn gerade an den Kopf geschmissen?«, fragte sie.
»Dass sie sich keine Gedanken machen sollen, weil wir nicht das erste Mal auf einem Pferd sitzen.«
Sie trabten wieder an und zügelten die Ponys erst am Durchgang zum Strand. Es waren recht viele Menschen hier. Wie Ameisen wuselten die Menschen über den Strandweg.
»Komm, wir reiten dahin, wo weniger los ist, hier können wir ja nichts anderes als einen Spaziergang machen«, sagte Jana.
Sie wendeten die Ponys nach links, wo weniger Leute waren und ritten ein ganzes Stück auf dem Fußwegentlang. Dann hielten sie sich Richtung Watt.
Das leicht braune Wasser plätscherte recht träge an den Strand. Pia sah mehrere Algenstränge, die wie große Blätter Salat hin- und herschwappten. »Salatmahlzeit gefällig?«, fragte sie Jana.
»Lass mich bloß mit diesem Blasentang zufrieden. Letztes Jahr hat der mir beim Baden ewig an den Waden gehangen. Igitt, war das glitschig.«
Pia grinste. Sie konnte sich das Theater, das Jana bestimmt davon gemacht hatte, bildhaft vorstellen. Pia blickte sich um. Es waren noch keine Strandkörbe von der Kurverwaltung aufgestellt worden. Der Saisonbeginn war ja noch ein bisschen hin. Der Tag war genauso schön wie bei ihrem allerersten Ausritt, nur pfiff dieses Mal kein Wind und es war angenehm warm. Das Meer glänzte in der
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