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hatte noch nie so viele Schneeglöckchenbeete gesehen wie hier. Jeder Vorgarten war übersät mit den weißen Köpfen und grünen Stängeln, die die erste Farbe in das noch triste Wintergrau brachten. Aber Pia hatte keinen Blick für all das. Ihr war übel, sie mochte kaum in die Schule gehen, wusste nicht, ob und wie sie sich wehren konnte. Gestern war sie noch zu Njala gegangen, hatte der Stute all ihren Kummer ins Ohr geflüstert.
Herr Ommen war der Ansicht gewesen, sie könne jetzt noch wunderbar auf der Weide reiten. Vielleicht wäre dann morgen ein Ausritt möglich. Mit Stern an Njalas Seite. Bis auf den Rechtsgalopp war die Reitstunde auch glattgegangen. Njala hatte nicht einmal auf den Ball verschreckt reagiert, der plötzlich über die Weide gekullert war.
»Die ist jetzt gut drauf«, sagte Herr Ommen. »Da können jetzt so viele Boßler kommen wie sie wollen.«
Eigentlich war Pia der Ansicht gewesen, dass der Ausritt das schönste werden würde, was sie sich vorstellen konnte, aber diese Sache mit Sören und Alumni nahm ihr jeglichen Spaß daran. Trotzdem hatte sie Jana noch eine SMS geschrieben, ob sie morgen mit Stern zum Ausreiten kommen würde. Jana hatte bereitwillig zugestimmt.
Als Pia jetzt den Schulhof betrat, war weder von Sören und seiner Clique, noch von Jana etwas zu entdecken. Pia schlich sich durch die bunten Jacken und Schals der herumtobenden Kinder in ihre Klasse. Wieder glitt ein Grinsen über alle Gesichter. Breit, gemein und irgendwie abgesprochen. Pia setzte sich einfach hin und ließ den Unterricht über sich ergehen. Von Sören sah sie den ganzen Vormittag nichts mehr.
°°°
»Ich reite heute wirklich aus«, beschloss Pia, als sie wieder zu Hause war. »Irgendwie muss ich mich ja ablenken. Als sie gerade ihr Handy aus der Tasche fummelte, sah sie, dass Jana ihr geschrieben hatte.
Ich komme nachher. Meinst du, Njala kann tatsächlich schon mit? Gruß Jana
Sie verabredeten sich um drei Uhr. Trotzdem konnte Pia es nicht lassen, sich wieder bei Alumni einzuloggen. Das Foto war noch immer dort. Darunter mehrten sich die hässlichen Kommentare. Pia wurde heiß und kalt. Sie wurde in diesem Portal bloßgestellt und konnte einfach nichts dagegen tun.
Sie traute sich auch nicht, sich ihren Eltern anzuvertrauen. Die wussten doch gar nichts von Sören. Und durften nicht wissen, dass sie wirklich Alkohol getrunken hatte. Wenngleich es auch nicht ganz freiwillig geschehen war.
Wieder schrieb sie an Sören. Er war der Einzige, der etwas dagegen unternehmen konnte.
Tu was! Es ist schrecklich. Du kannst es ändern und weißt das! Pia
Aber auch jetzt wartete Pia vergeblich auf seine Antwort.
°°°
Pia hörte Sterns Hufgetrappel schon von weitem. Sie freute sich auf den Ritt. Zu den Schneeglöckchen hatten sich nun auch die Farben der Krokusse gesellt und das Geschrei der Möwen wurde vom Gezwitscher der Singvögel übertönt.
Jana hatte auch Pegasus mitgebracht, den sie in der Zwischenzeit zu Wodan auf die Weide stellten, damit der Kleine nicht so allein war.
Herr Ommen stand am Gatter und sah ihnen nach. Seine Frau bepflanzte ihre Blumenschalen mit Primeln und Stiefmütterchen. Sie blickte kurz auf und winkte ihnen dann.
»Na, ist das nicht ein Wetter?«, fragte Jana, als sie den Hof verlassen hatten. »Und Frau Ommen hatte eine neue Schürze an, hast du das gesehen? Sie hat sich fein gemacht, weil der Frühling kommt.«
Pia kniff die Augen zusammen. Als sie zu Jana sehen wollte, sah sie nur schwarze Flecken.
»So schrecklich bin ich doch wohl nicht«, sagte Jana, »dass du deswegen die Augen zukneifen musst, oder?«
»Ich habe in die Sonne gesehen. Sie scheint so schön. Und lenkt ab«, fügte sie hinzu.
Jana grinste, als Pia die Augen rieb. »Das ist richtig. Pell dir ein Ei auf den Alumni – Mist. Morgen haben sie eine Neue, auf der sie herumtrampeln. Konzentrier dich lieber auf dein Ross!«
»Das sagt sich so leicht. Was würdest du denn tun, wenn solche Fotos über dich dort kreisen würden, hä?«
»Würden sie ja nicht. A hätte ich mich auf ein Date mit Sören nicht eingelassen und B hätte ich mich von ihm auch nicht betrunken machen lassen.«
»Super Antwort«, knurrte Pia. Das war wieder typisch Jana. Sie saß manchmal auf einem ganz schön hohen Ross. »Du machst also nie Fehler!«
»Das habe ich nicht gesagt. Aber ich habe dich gewarnt. Immer wieder freundschaftlich gewarnt.« Als Jana Pias Tränen sah, zügelte sie Stern. »Tut mir leid, war
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