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99 Särge: Roman (German Edition)

99 Särge: Roman (German Edition)

Titel: 99 Särge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Xiaolong Qiu
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Abend nicht.
    Wei: Als Sie die Nudeln ins Zimmer brachten, ist Ihnen da etwas Besonderes an ihm aufgefallen?
    Jun: Er wirkte ganz normal, hat mich angelächelt und mir fünf Yuan Trinkgeld gegeben. Eigentlich dürfen wir so etwas nicht annehmen, aber wenn der Gast darauf besteht, kann man schlecht ablehnen.
    Wei: Haben Sie die Nudeln ins Zimmer gebracht oder an der Tür übergeben?
    Jun: Ich habe das Gericht ins Zimmer getragen, weil es sich um Über-die-Brücke-Nudeln handelte. Da müssen Sie die Zutaten einzeln auf den Tisch stellen und dem Gast erklären, wie er sie über die Nudeln geben soll. Aber eigentlich ist das unnötig, wenn der Gast das Gericht bereits kennt.
    Wei: Er war also allein im Zimmer?
    Jun: Ja, das weiß ich genau.
    Wei: Haben Sie etwas zu ihm gesagt?
    Jun: Ja, ich habe ihn gefragt, ob ich die Bierflasche für ihn öffnen soll, und er hat genickt.
    Wei: Sonst nichts?
    Jun: Nein. Ach ja, er nahm sich gleich ein Stück von dem Jinhua-Schinken, als ich das Gericht auf dem Tisch abstellte. Er sagte, den möge er am liebsten und er werde das Gericht in den nächsten Tagen sicher noch öfter bestellen. Es ist echter Jinhua-Schinken. Wir beziehen ihn aus einer besonderen Quelle, er wird extra für das Hotel hergestellt. Viele Gäste schätzen ihn.
    Wei: Eine andere Frage, Jun. Sind Sie von der Küche aus direkt in sein Zimmer gegangen?
    Jun: Ja, direkt aufs Zimmer. Die Brühe mit den Nudeln muss heiß serviert werden.
    Wei: Gibt es noch etwas, das Ihnen an diesem Abend aufgefallen ist?
    Jun: Nein, ich kann mich an nichts erinnern. Als er anfing, die Zutaten über die Nudeln zu geben, habe ich den Raum verlassen. Tut mir leid, dass ich Ihnen nicht weiterhelfen kann.
    »Das bringt wirklich nicht viel«, sagte Wei, während er den Kassettenrekorder ausschaltete. »Jiang hat vermutlich bereits mit dem Hotelpersonal gesprochen, eigentlich müsste ich seine Genehmigung einholen, bevor ich jemanden befrage. Deshalb habe ich mich mit Jun in einem kleinen Teehaus in einer Nebenstraße gleich beim Hotel getroffen. Jiang ist ständig hinter mir her, damit ich ihn über die Ermittlungen auf dem Laufenden halte.«
    »Zu einem solchen Spiel gehören immer zwei«, bemerkte Chen. »Wenn er nicht kooperativ ist, müssen Sie es auch nicht sein. Jiang und Liu waren für das shuanggui zuständig, aber wir untersuchen die Umstände von Zhous Tod. Demnach müssten die beiden uns erzählen, was sie über Zhou wissen.«
    »Liu hat sich in den vergangenen beiden Tagen kaum im Hotel blicken lassen. Aber Jiang, als Vertreter der Stadtregierung, hält die Stellung.«
    »Wenn Jiang Ihnen Schwierigkeiten macht, können Sie immer sagen, dass Sie ausschließlich mit mir über die Ermittlungen sprechen dürfen. Auf persönliche Anweisung von mir.«
    »Danke, Chef«, sagte Wei, und ihre Blicke trafen sich. »Als Sie befördert wurden, dachte ich zuerst, es sei wegen Ihrer Hochschulbildung, Sie hatten einfach Glück, weil Ihr Lebenslauf besser in die neue Parteipolitik passte. Manche sagten auch, es habe mit einem Artikel zu tun, den eine Ihrer Journalistenfreundinnen in der Wenhui publiziert hat …«
    Chen gebot dem Redeschwall seines Kollegen mit einer Handbewegung Einhalt. Es war richtig, dass bei seiner Beförderung Faktoren mitgespielt hatten, die nicht mit der Polizeiarbeit zusammenhingen, etwa sein Universitätsabschluss und das moderne Image, das er in der Öffentlichkeit verkörperte. Beides hatte, aus welchen Gründen auch immer, gerade in die Parteilinie gepasst.
    »Es ist viel über mich geredet worden, und manches davon trifft zu, zum Beispiel, dass mein Diplom in Englischer Literatur nichts mit Polizeiarbeit zu tun hat. Noch heute frage ich mich manchmal, ob ich nicht eine andere Laufbahn hätte einschlagen sollen. Dass manche meiner Kollegen das als ungerecht empfinden, ist mir durchaus bewusst.«
    »Aber nein, Chef, ich wollte bloß sagen, dass ich froh bin, mit Ihnen zusammenzuarbeiten. Ich werde Sie über jeden Schritt informieren, den ich in dieser Sache unternehme.«
    »Und ich betone noch einmal«, entgegnete Chen, »dass Sie für den Fall zuständig sind, nicht ich. Sie müssen nicht jedes Mal meine Genehmigung einholen. Sie kennen doch das Sprichwort: Was schert den General im Grenzland der Kaiser in der fernen Hauptstadt? «
    »Sie meinen also …?«
    »Sie haben freie Hand. Und ich übernehme die Verantwortung …«
    In dem Moment klingelte sein Handy.
    »Guten Tag, Oberinspektor Chen, hier ist Lianping von der

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