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99 Särge: Roman (German Edition)

99 Särge: Roman (German Edition)

Titel: 99 Särge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Xiaolong Qiu
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politisch durchaus gewollt sei, eine Geste des guten Willens, die zugleich seiner eigenen Marktposition nutzen konnte. Doch daraufhin hat Zhou ohne Vorwarnung Tengs Firma ins Visier genommen und ihn als Unruhestifter gebrandmarkt, der die Stabilität des Marktes gefährde. Teng fühlte sich in die Enge getrieben, weil andere Unternehmer ihn als geldgierigen Handlanger der Behörden in Peking hinstellten, während die Stadtregierung ihrerseits Druck auf ihn ausübte.«
    »Ja, ich erinnere mich, letzte Woche war ein Leitartikel darüber in der Volkszeitung , dass die Regierung in Peking alles tue, um Wohneigentum auch für einfache Leute erschwinglich zu machen.«
    »Teng hat es auf den Punkt gebracht: Die Volkszeitung erscheint in Peking, aber Zhou vertrat die Interessen der Shanghaier Stadtregierung, außerdem hatte Zhou persönliche Gründe, ihn aufs Korn zu nehmen.«
    »Und die wären?«
    »Eines von Tengs Projekten befindet sich ganz in der Nähe eines Bauvorhabens, das auf den Namen von Zhous Cousin läuft. Eine Preisreduzierung bei Green Earth hätte daher Gewinneinbußen für das Projekt von Zhous Familie zur Folge gehabt.«
    »Hat Teng ein Alibi?«
    »Er war in der fraglichen Nacht nicht in Shanghai, ist aber gut vernetzt, sowohl im weißen wie im schwarzen Sektor.«
    »Verstehe«, sagte Chen. Der weiße Sektor betraf die legalen Geschäfte, beim schwarzen Sektor ging es hingegen um Verbindungen zu Gangstern und Triadenbossen. Chen war klar, warum Wei beide Sektoren ins Spiel brachte. »Andererseits stellt sich die Frage, ob Teng Zhou während des shuanggui im Hotel wirklich hätte töten lassen, trotz des Risikos, entdeckt zu werden?«
    »Ein berechtigter Einwand«, bemerkte Wei und nippte an seinem Kaffee. »Puh, ist der bitter.«
    Offenbar war Wei keinen Kaffee gewöhnt. Chen sagte nichts und nahm seinerseits einen großen Schluck.
    Wei fuhr fort: »Meines Erachtens geben die Umstände von Zhous angeblichem Selbstmord im Hotel Rätsel auf. Ach, beinahe hätte ich es vergessen. Es ist mir gelungen, mit dem Etagenkellner zu sprechen, ohne dass Jiang zugegen war. Hier ist der Mitschnitt des Gesprächs mit einem gewissen Jun, er ist im Service tätig.«
    Wei legte einen kleinen Kassettenrekorder auf den Tisch, drückte auf den Knopf und hob seine Kaffeetasse, ohne zu trinken.
  
    Wei: Bitte versuchen Sie sich zu erinnern, was genau Sie in der fraglichen Nacht taten, sahen oder hörten, Jun. Es könnte von großer Wichtigkeit für unsere Ermittlungen sein.
    Jun: Ich bin nur eine Servicekraft. Ich habe Ihren Kollegen doch schon alles erzählt.
    Wie: Gehen wir es noch einmal gemeinsam durch.
    Jun: Ich hatte Nachtschicht. Die geht von sechs Uhr abends bis sechs Uhr früh. Normalerweise ist nach Mitternacht nicht mehr viel los, sodass ich ein Nickerchen machen oder sogar bis zum Morgen durchschlafen kann. Vergangene Woche hatte ich nicht viel zu tun, weil nur drei Gäste im dritten Stock untergebracht waren.
    Wei: Das heißt, von den sechs Zimmern waren nur drei belegt.
    Jun: Genau. Das war eine spezielle Abmachung mit unserem Hotel. Wir fragen in solchen Fällen nicht nach. Unter anderem hatte man uns gebeten, dem Gast in 302 alle Mahlzeiten aufs Zimmer zu bringen. Die anderen beiden verhielten sich wie normale Hotelgäste. Sie konnten ihre Mahlzeiten entweder im Speisesaal des Hauptgebäudes zu sich nehmen oder den Zimmerservice in Anspruch nehmen.
    Wei: Was genau ist am Montagabend passiert?
    Jun: Nun, gegen 18.15 Uhr habe ich das Abendessen auf Zimmer 302 gebracht. Eine Portion Yangzhou-Bratreis und eine Tagessuppe.
    Wei: Haben Sie das Zimmer betreten?
    Jun: Nicht wirklich. Ich habe angeklopft, der Gast hat geöffnet und mir das Tablett abgenommen.
    Wei: Ist Ihnen etwas Ungewöhnliches aufgefallen?
    Jun: Nein, ich habe nichts bemerkt. Anschießend wollte ich die Betten der beiden anderen Gäste für die Nacht herrichten. Beide waren auf ihren Zimmern und sagten mir, das sei nicht nötig. Also bin ich auf mein Zimmer gegangen.
    Wei: Und dann?
    Jun: Etwa um 22.20 Uhr wurde ich gebeten, dem Gast in Nummer 302 eine Schale Über-die-Brücke-Nudeln und eine Flasche Budweiser zu bringen.
    Wei: Moment. Wussten Sie, wer der Gast in Zimmer 302 war und warum er sich dort aufhielt?
    Jun: Nein, ich hatte keine Ahnung damals. Auf jeden Fall konnten diese Leute keine normalen Gäste sein, aber wir stellen, wie gesagt, keine Fragen.
    Wei: Hatten Sie zu diesem Zeitpunkt schon einmal von Zhou gehört?
    Jun: Nein, bis zu jenem

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