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99 Särge: Roman (German Edition)

99 Särge: Roman (German Edition)

Titel: 99 Särge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Xiaolong Qiu
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er sich manchmal beklagt. Aber was konnte er schon tun? Mit Anfang fünfzig hat man nicht mehr die Energie für ein Abendstudium. Außerdem ist unser Sohn bald mit der Schule fertig, und für zwei Studenten reicht das Geld nicht.«
    Auch das leuchtete ein. Dennoch blieb die Frage unbeantwortet, was Wei in dieser Gegend zu tun hatte.
    »Eine andere Frage, Guizhen. Hat er sich an dem Tag Essen von zu Hause mitgenommen?«
    »Nein. Das tat er nur, wenn er wusste, dass er den Tag über an seinem Schreibtisch im Präsidium arbeiten würde.«
    Wei hatte sein Mittagessen also vermutlich an einem der günstigen Imbissstände eingenommen, von denen es in dieser Gegend jede Menge gab, überlegte Chen. Allerdings hätte Wei nach seinem Besuch im Hotel deshalb nicht den beschwerlichen Weg über die Fußgängerüberführung machen müssen.
    In der entstandenen Gesprächspause war Guizhen aufgestanden und goss ihm Tee ein.
    »Entschuldigen Sie, dass ich Ihnen erst jetzt etwas anbiete, Oberinspektor Chen. Und das Wasser ist leider nur lauwarm, weil die Thermoskanne nicht mehr richtig schließt.«
    Die mit Bambusgeflecht ummantelte Flasche stand auf dem Tisch wie ein umgedrehtes Ausrufezeichen, das die Armut der Familie betonte. In dem winzigen Zimmer gab es weder einen Kühlschrank noch sonstige Küchengeräte.
    Unwillkürlich musste Chen an das Heim einer anderen Witwe denken, die er kürzlich besucht hatte. Auch Frau Zhou war untröstlich gewesen, aber sie war immerhin gut versorgt. Einiges von dem Geld, das Zhou beiseitegeschafft hatte, würde sicher wieder auftauchen, wenn auch nicht alles.
    »Der Grund, warum ich danach frage, Guizhen, ist die Möglichkeit einer Kompensation durch das Präsidium. Wenn wir nachweisen könnten, dass Wei im Dienst ums Leben kam, könnte ich ihn zum Märtyrer erklären lassen, und Sie und Ihr Sohn bekämen eine Entschädigungszahlung.«
    »Ich weiß nicht, wie ich Ihnen für Ihre Bemühungen danken soll, Oberinspektor Chen. Das wäre wie eine Lieferung Kohlen im kalten Winter.«
    »Sie brauchen sich nicht bei mir zu bedanken.«
    »Ich würde Ihnen gern etwas über Wei erzählen. Sie erwähnten doch gerade, dass Sie und mein Mann zur gleichen Zeit bei der Polizei angefangen haben.«
    »Stimmt, daran erinnere ich mich noch genau.«
    »Manchmal habe ich ihm Vorwürfe gemacht, dass er im Gegensatz zu Ihnen nicht befördert wurde, aber letztlich konnte er ja nichts dafür. Wie viele seiner Generation hatte er keine Gelegenheit, einen Universitätsabschluss zu machen.«
    »Die neuen Beförderungsrichtlinien legen viel zu viel Wert auf höhere Bildung. Ich hatte einfach Glück und dadurch einen ungerechten Vorteil gegenüber meinen Kollegen.«
    »Wissen Sie, was Wei über Sie gesagt hat, als er erfuhr, dass er mit Ihnen zusammenarbeiten würde? Natürlich gab es Dinge, die er nicht mochte oder anders sah, aber letztlich arbeitete er mit keinem lieber zusammen als mit Ihnen. Er hielt Sie für einen der wenigen integren Beamten, die auch in der heutigen Gesellschaft gewissenhaft ihre Arbeit tun.«
    »Sie wissen gar nicht, wie viel mir diese Einschätzung bedeutet, Guizhen. Danke, dass Sie mir das erzählt haben.«
    Umso mehr fühlte er sich elend, weil Wei ums Leben gekommen war. Und doch konnte er so wenig für dessen Familie tun. Es wäre sinnlos, der Witwe Hoffnungen zu machen, bevor er tatsächlich etwas erreicht hatte. Plötzlich kam ihm jedoch ein Geistesblitz, und wie ein Zauberer zog er den Umschlag mit dem Geschenkgutschein aus der Tasche.
    »Eine kleine Unterstützung für die Familie.«
    Wie es der Anstand erforderte, öffnete sie den Umschlag nicht, sondern schob ihn über den Tisch zu ihm zurück. »Von Ihnen kann ich das nicht annehmen. Etwas anderes wäre es, wenn das vom Präsidium käme. Schließlich hat Wei seine besten Jahre der Polizeiarbeit geopfert.«
    »Es kommt auch nicht von mir«, sagte Chen und entschied sich, ihr die Wahrheit zu sagen. »Es stammt von einem steinreichen Bauunternehmer, mit dem ich befreundet bin. Ich selbst war im Zweifel, ob ich es annehmen sollte, und jetzt bietet sich die Möglichkeit, es einem guten Zweck zuzuführen. Also tun Sie mir letztlich einen Gefallen, wenn Sie es annehmen.«
    Sekundenlang starrte sie ihn ungläubig an.
    »Ich habe mit Wei kurz vor seinem Tod Kaffee getrunken«, fuhr er fort und zog den anderen Geschenkgutschein aus der Tasche. »Er hat für unsere Besprechung ein Lokal der Häagen-Dazs-Kette ausgesucht und erwähnt, dass es das

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