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999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)

999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)

Titel: 999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Adolfo Martigli
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an, Ihr sprecht wie ein Häretiker!«
    Der Graf seufzte und schüttelte den Kopf. »Ach ja, die Häresie«, sagte er nachdenklich, »in ihrem Namen werden die schrecklichsten Missetaten begangen. Du weißt genau, dass Häresie nichts anderes als ›Wahl‹ bedeutet, und genau diese Wahl, was ich glaube und was nicht, habe ich für mich getroffen. Aber ich möchte dir keine Angst machen. Hab Vertrauen, wir sind alle eins, und das wird die Menschheit bald erkennen.«
    »Aber was genau habt Ihr in Euren Thesen geschrieben?«, fragte Eucharius. Die Sorge stand ihm ins Gesicht geschrieben.
    »Nichts von alledem, worüber wir gerade gesprochen haben – du brauchst dich nicht zu beunruhigen. Es sind ehrliche Thesen und … deinem Verständnis nach, christliche. Trotzdem werden sie öffentlich disputiert und von den größten Gelehrtengemeinschaften aus aller Welt als wahr anerkannt werden …«
    »Welcher Disput? Was wollt Ihr mit diesen Büchern tun? Ich glaubte …«
    »Setz dich, Eucharius. Bevor es öffentlich gemacht wird, möchte ich dir mein Ansinnen verraten. Du hast dir mein Vertrauen verdient.«
    Silber Franck setzte sich zu ihm, und je länger er den Ausführungen seines edlen Auftraggebers zuhörte, desto mehr verwandelte sich seine erste Sorge in Angst und Beklemmung.
    »Aber der Papst weiß nichts von Euren Absichten«, unterbrach er den Grafen, »Ihr hättet ihn beizeiten unterrichten müssen! Und das Buch ist nicht einmal genehmigt worden. Mein Gott! Ich gestehe, wenn ich das vorher gewusst hätte, dann weiß ich nicht, ob ich den Auftrag angenommen hätte.«
    »Warum hast du Angst, Eucharius? Keine einzige meiner Thesen ist gegen den Willen von … dem, der Gott genannt wird. Ja, sie sind sogar der Beweis für seine Existenz, auch … wenn sie nicht dem entsprechen, was die menschliche Ignoranz uns über Hunderte von Jahren zu glauben vorgegeben hat. Über Seine Worte zu disputieren und die Schrift auszulegen, ist nicht ketzerisch, sondern sogar ein Akt des Glaubens. Sein Wunsch ist es, alle Menschen zu vereinen und, wie Brüder, im selben Hause in Frieden leben zu lassen.«
    »Auch die Söhne von Mohammed!«
    »Natürlich, auch sie. Glaubst du, sie seien dessen nicht würdig?
    Auch sie glauben, dass das Evangelium, die Psalmen und die Tora-Bücher göttlicher Inspiration sind. Wo ist also der Unterschied?«
    Eilig bekreuzigte sich Eucharius. Diese Geste hatte er sich als Jude nur schwer angewöhnen können; mit den Jahren war sie ihm aber so zur Gewohnheit geworden, dass er sie ebenso leichtfertig wie seine christlichen Mitmenschen gebrauchte. Er blickte in die Augen des Mannes, der seelenruhig und furchtlos über ebenso schreckliche wie gefährliche Dinge sprach. Dass er es wagte, so zu sprechen, war vielleicht auf seine edle Herkunft zurückzuführen, die ihn über die Gesetze erhob, oder seiner Jugend zuzuschreiben. Er schien ein sanfter Mann zu sein, von fast weiblicher Anmut, mit diesen blonden Locken, die ihm bis auf die Schultern reichten – aber seine Worte waren wie Schwerthiebe, die den Himmel teilten.
    »Ich kann nicht mit Euch disputieren, noch würde ich es wagen, Euch einen Rat zu geben, aber ich bitte Euch, erhört meine Bitte: Seid vorsichtig!«, bat Eucharius inständig.
    Giovanni Pico stand auf und legte ihm seine Hand auf die Schulter. Dann förderte er einen Beutel zutage, aus dem er drei Manuskripte hervorholte. »Hast du auch die drei Exemplare aus Leder, die ich bei dir bestellt habe?«, fragte der Edelmann freundlich.
    »Ja, hoher Herr. Ich habe mich persönlich darum gekümmert, so wie Ihr es mir befohlen hattet. Gefallen sie Euch?«
    Der Edelmann bewunderte die tadellose und auserlesene Arbeit von Silber Franck. Eine italienische Bindung aus rotem Leder, üppig und glänzend, ohne Fehler und mit einem dünnen goldenen Rahmen verziert, der auf das Leder geprägt war. Der Buchrücken war sechsschichtig verstärkt, um den Einband robuster zu machen, da auf beiden Seiten ein intarsienverziertes eisernes Schloss angebracht war. Jeder Schlüssel war ein kleines Meisterwerk, mit einem Ring an der Reide, auf der jeweils ein Alpha und ein Omega ziseliert waren. Der vielzackige Schlüsselbart war kunstvoll gearbeitet und sah sehr kompliziert aus – ohne den Schlüssel wäre es unmöglich gewesen, den Einband zu öffnen. Alles war genau nach den Anweisungen des Auftraggebers angefertigt worden – auch eine Art Aussparung im Buch, um nachträglich noch weitere Seiten einfügen zu

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